Gnosis
aus. Die Eiswürfel waren zu kleinen Plättchen geschmolzen, die über den Boden seines Glases glitten. Er nickte dem Barkeeper zu, der ihm nachschenkte.
Dem Observationsbericht nach zu urteilen saß Laszlo, seit er wieder zu Hause war, jeden Abend dort am Tresen und betrank sich schweigend. Zinser hatte etwa eine Stunde gewartet, nachdem er den Laden betreten hatte. Lange genug, dass er fügsam war, aber noch nicht so lange, dass er nicht mehr klar denken konnte.
Zinser bestellte ein Glas Rotwein und trank wortlos. Sie widerstand der Versuchung, sich umzudrehen und die drei Gäste hinten in der dunklen Ecke anzusehen. Die Vorstellung, Jill für diese Sache benutzen zu müssen, gefiel ihr nicht, aber der Vorstand hatte recht – Laszlo brauchte einen kleinen Schubs.
Zinser sah auf ihre Uhr. Die Ziffern blinkten, was bedeutete, dass der Audiotransmitter aktiviert war. Wenn sie sich an den Plan hielt, würde alles gutgehen.
«Wie kommen Sie zurecht?», fragte Zinser schließlich.
Laszlo nahm einen Schluck von seinem Scotch und starrte vor sich hin.
«Jeden Tag wache ich auf und hoffe, dass ich mich etwas besser fühle. Und manchmal ist das auch so. Aber abends ist sie immer noch nicht wieder da. Also komme ich hierher.»
Zinser nickte. Sie musste ihr Mitgefühl nicht spielen. Laszlo tat ihr leid, aber ihre Aufgabe machte Opfer notwendig. Darian hatte einen Entschluss gefasst und sie dabei alle in dieses grausame Spiel verstrickt.
«Irgendwann müssen Sie weiterleben», sagte Zinser.
«Ich weiß», sagte Laszlo.
«Was haben Sie vor?»
Laszlo schüttelte den Kopf. «Ich weiß noch nicht genau.»
Ob es stimmte oder ob Jill ihm Zweifel eingab, wusste Zinser nicht. Zielstrebig drängte sie weiter.
«Was würde sich Darian von Ihnen wünschen?»
Laszlo zuckte mit den Schultern.
«Nun, ich will Ihnen sagen, was sie nicht wollen würde – dass Sie hier herumsitzen und Ihre Trauer mit einer Flasche Dewar’s ertränken.»
Das war Jills Stichwort, ihm eine Mischung aus Schuldgefühlen und Einsicht einzugeben. Zinser wartete.
«Darian hätte gewollt, dass Sie etwas mit Ihrem Leben anfangen, dass Sie …»
«Dass ich was?», sagte Laszlo lauter. «Dass ich mich der Organisation anschließe?»
Zinser wusste nicht genau, wie sie Laszlos plötzlichen Stimmungsumschwung einschätzen sollte, aber sie blieb am Ball und hielt sich an das Drehbuch.
«Ja», sagte sie. «Das hat Darian mit ihrem Leben auch gemacht. Ich weiß, sie ist nicht mehr da, aber das bedeutet nicht, dass Sie nichts bewirken könnten. Sie können anderen Kindern wie Elijah und Winter helfen, ein Zuhause zu finden.»
Zinser hielt die Luft an. Sie hatte Jill aufgetragen, am Ende ihres Monologs ein Gefühl der Ehre und der Entschlossenheit zu projizieren. Laszlo starrte in seinen Scotch, als wäre dort die Antwort auf alle Fragen zu finden. Dann – nach fast einer Minute – schob er das halbvolle Glas von sich. Er atmete tief durch und richtete sich auf.
«Sie haben recht», sagte er mit klarer Stimme, nicht mehr ganz so missmutig. Er klang energisch. Selbstbewusst. Entschlossen. «Hier nütze ich niemandem. Also gut, ich helfe Ihnen.»
Zinser lächelte. Sie ließ ihre Hand auf ihren Schoß sinken und betätigte einen Schalter an dem Gerät, das in ihrer Handtasche versteckt war. Sie bemerkte keinen Unterschied, doch wenn der Projektor richtig funktionierte, sollte er stolze Freude ausstrahlen.
«Sie haben den richtigen Entschluss gefasst. Sie werden es nicht bereuen.»
Und jetzt die Krönung – Jill gab Laszlo eine Mischung aus Freude und Tatendrang ein, um seine Entscheidung zu festigen. Diesen Trick hatte Darian Zinser während der ersten Testmonate anvertraut.
«Wie wäre es, wenn Sie heute Abend mit ins Labor kommen würden?», fragte Zinser, um Laszlo auf seinem Weg zu festigen. «Ihre Sachen kann morgen jemand holen.»
«Einverstanden», sagte er und lächelte – zum ersten Mal an diesem Abend. Samantha legte zwei Zwanziger auf den Tresen und ging mit Laszlo vor die Tür. Als sie in die wartende Limousine stiegen, bekam Zinser kurz ein schlechtes Gewissen. Eben hatte sie Laszlos Leben zerstört. Diese Schuldgefühle hatte sie wohl erwartet, doch Zinser staunte, wie mild sie ausfielen.
Langsam gewöhnte sie sich daran.
«Wann wird er die Suche beginnen?»
«In drei Tagen.»
«Wird das Mädchen ihn begleiten?»
«Nur auf längeren Reisen. Wenn sie ihn mehr als ein paar Stunden nicht unter Kontrolle hat, fängt er an, Fragen
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