Gnosis
gern.»
Tom Neill ließ sich auf einem kleinen Stuhl nieder.
Laszlo gab ihm so viele Endorphine ein, dass der Wächter ihm vermutlich keinen Wunsch verweigern würde – aber trotzdem blieb er vorsichtig.
«Was geht hier vor?»
«Ich weiß nicht», sagte Tom und schüttelte den Kopf. «Ich bin nur Soldat.»
Laszlo sah ihn verärgert an, und der Wächter runzelte fragend die Stirn. Schnell verbarg Laszlo seine Gefühle und konzentrierte sich wieder darauf, dem Soldaten lieblichen Optimismus einzugeben.
«Sie wissen wahrscheinlich mehr, als Sie glauben. Erzählen Sie mir, was Sie tun. Das würde mich wirklich glücklich machen.»
«Klar», sagte Tom und lächelte wieder. «Ich möchte Sie gern glücklich machen.»
Laszlo nickte ungeduldig und bedeutete dem Mann, dass er anfangen solle.
«Also, als ich siebzehn war, habe ich …»
«Moment …», unterbrach ihn Laszlo, als er merkte, dass sich die unbändige Freude, die er Tom eingab, negativ auf dessen Intelligenz auswirkte. «Beantworten Sie lieber nur meine Fragen. Dr. Dietrich: Er führt alle Experimente durch. Richtig?»
«Ich glaube, ja.»
«Wo ist er?»
«Wahrscheinlich noch in seinem Labor. Meistens schläft er da.»
«Könnten Sie ihn zu mir bringen?», fragte Laszlo und ließ ein wenig locker, um sicherzugehen, dass er eine ehrliche Antwort bekam, nicht nur eine, die er hören wollte. Tom stutzte und blickte zur Decke auf, als müsste er nachdenken.
«Nein. Er würde nie im Leben mitkommen. Er kann uns Aufpasser nicht leiden.» Einen Moment sah Tom mutlos aus, dann hellte sich seine Miene auf. «Aber ich könnte Sie zu ihm bringen.»
«Wann?»
«Um drei Uhr nachts ist hier alles ruhig. Würde Ihnen das passen?»
«Ja», sagte Laszlo. «Das würde mir sehr gut passen.»
Laszlo hielt den Kopf gesenkt, als er mit Tom den Flur entlanglief. In der gestohlenen Uniform war ihm seltsam zumute, doch er fühlte sich frei. Sie kamen an anderen Soldaten vorbei, doch keiner würdigte Laszlo auch nur eines Blickes.
Er versuchte, sich den Weg durch das Labyrinth der Flure zu merken, aber alles sah gleich aus. Wenn der Moment zur Flucht gekommen war, würde er Toms Hilfe brauchen. Schließlich blieb Tom vor einer Stahltür stehen. Durch diese gelangten sie in einen großen halbdunklen Raum.
An der einen Wand leuchteten mehrere Schwarzweißmonitore. Jeder davon zeigte ein schlafendes Kind. Laszlo erkannte Jill, Elijah, Winter und Charlie.
Er biss die Zähne zusammen, wütend und wildentschlossen. Vorsichtig drückte der Soldat Laszlos Schulter und deutete auf die Couch in der hinteren Ecke. Als sich Laszlos Augen an das Dunkel gewöhnt hatten, sah er dort einen Menschen liegen.
«Wecken Sie ihn!», sagte Laszlo.
Tom marschierte zu dem schlafenden Wissenschaftler hinüber und zerrte ihn auf die Beine. Dietrich hatte die Augen vor Angst weit aufgerissen, als Tom ihn gegen die Wand stieß.
«HILFE! HIL-!»
Tom hielt dem Mann den Mund zu. Plötzlich konnte Laszlo Toms Geist nicht mehr spüren – Laszlo begriff. Tom trug keine Kette mehr, aber Dietrich. Toms Hand auf Dietrichs Mund … die Immunität übertrug sich über Hautkontakt.
Tom blinzelte und ließ Dietrich los. Einen Moment war Toms Geist für Laszlo wieder offen und spürbar, doch dann packte der Wissenschaftler den Wächter im Nacken, und Laszlo konnte Toms Emotionen nicht mehr erfassen.
«Er hat Sie manipuliert!», rief Dietrich. «Nicht loslassen, sonst hat er Sie wieder unter Kontrolle. Wir müssen die anderen Wachen rufen. Wir müssen …»
Laszlo schlug Dietrich mit der Linken einen Haken ans Kinn und hörte es knirschen, als er sich dabei den kleinen Finger brach. Er achtete nicht auf den Schmerz, wandte sich zu Tom um. Es war ein seltsames Gefühl, als er mit Hand und Geist gleichzeitig zupackte, ein physischer und psychischer Gewaltakt. Laszlo riss Tom von dem Wissenschaftler los und gab ihm Ruhe und Gewissheit ein.
«Rühren Sie ihn nicht an, Tom!», rief Laszlo. «Die Kinder kontrollieren ihn. Wenn Sie ihn anfassen, sind Sie verloren!» Tom nickte kurz und wich vor dem Wissenschaftler zurück, der am Boden kauerte und sein Kinn rieb.
«Hören Sie nicht auf ihn!», keuchte Dietrich, doch nach der kraftlosen Stimme des Wissenschaftlers zu urteilen, wusste er bereits, dass er verloren hatte.
Laszlo zerrte den Mann auf die Beine, fast so brutal wie Tom. Mit abgrundtiefem Entsetzen starrte Dietrich ihn an. Laszlo riss dem Mann das Hemd auf und sah die schmale Silberkette um
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