Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Gnosis

Gnosis

Titel: Gnosis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Adam Fawer
Vom Netzwerk:
Schwester.
    Darian öffnete ihren Geist und schlug fast rückwärts hin. Mit ungeheurer Wucht stürmte das wirre Durcheinander gestörter Psychen auf sie ein. Stachlige Furcht, niederschmetternde Traurigkeit, weiche, feuchte Wut, kitzlige Nervosität, orgiastische Euphorie. Und zwischen allem ein Sprühnebel pharmazeutischer Orientierungslosigkeit.
    Darian holte tief Luft und versuchte, die kranken Geister abzuwehren, während sie zugleich die Schwester erreichen wollte. Sie musste vorsichtig sein … wenn sie die Kontrolle verlor, konnte sie gleich hier bei Elijah bleiben. Darian musterte die Krankenschwester.
    Auf ihrem Namensschild stand MARIA SANCHEZ. Ihr Haar war von grauen Strähnen durchzogen und zu einem strengen Dutt verknotet. Alles hatte seinen Platz. Ihr Haar war fast so gut geordnet wie ihr Geist – kräftige, selbstbewusste Gefühle ohne Ausflüchte. Schwester Sanchez hatte Sinn für Ordnung. Hierarchie. Reibungslose Abläufe.
    Darian richtete sich auf, um ihre volle Körpergröße von einem Meter dreiundsiebzig – plus fünf Zentimeter Absatz – zur Geltung zu bringen. Dann sendete sie aalglattes Vertrauen aus, und eine gewisse Autorität.
    «Mein Name ist Darian Wright. Ich bin von der Staatlichen Behörde für Psychiatrie.»
    Sie zeigte einen Ausweis vor, den sie kaum zwanzig Minuten vorher mit Hilfe von Photoshop gebastelt hatte. Als sich die Schwester vorbeugte, um das gefälschte Dokument zu prüfen, gab Darian ihr einen Hauch von Verlegenheit und eine gewisse Ehrfurcht ein. Sanchez wäre es peinlich, ihr Fragen zu dem Ausweis zu stellen.
    «Könnte ich Sie unter vier Augen sprechen?», fragte Darian mit Blick auf einen übergewichtigen Pfleger.
    «Aber natürlich», sagte die Schwester, ließ Darian herein und schloss die Tür hinter sich. Als sie ihren Schlüssel aus dem Schloss zog, fiel Darian auf, dass er mit einem roten Aufkleber versehen war. Ohne Darians Blick zu bemerken, deutete Sanchez zum anderen Ende des Raumes.
    «Wir können im Schwesternzimmer reden.»
    Energisch marschierte Sanchez auf den kleinen Raum zu, den sie mit einem weiteren Schlüssel vom großen Ring an ihrem Gürtel öffnete. Drinnen blickte Darian durch die bruchfesten Doppelscheiben und fragte sich, in welchem Zustand Elijah wohl sein mochte.
    «Schwester Sanchez …» Verschwörerisch beugte sich Darian vor. «Kann ich Ihnen vertrauen?»
    «Selbstverständlich!», rief Sanchez aus, gleichermaßen erfreut (dass man ihr ein Geheimnis anvertraute), stolz (dass diese Frau ihr überhaupt traute) und leicht gekränkt (wegen der Frage).
    «Es wurden gewisse Anschuldigungen erhoben …», Darian sah sich im leeren Schwesternzimmer um und tat, als fürchtete sie, jemand könnte sie belauschen, «… dass in dieser Abteilung einige Missstände herrschen.»
    Schwester Sanchez nickte nachdrücklich, als hätte sie gewusst, dass es so kommen musste.
    «Insbesondere gab es Berichte, dass Patienten eingewiesen wurden, die keine Behandlung bräuchten.»
    «Wer zum Beispiel?»
    «Elijah Glass.»
    Sanchez schüttelte den Kopf. «Ich arbeite schon fast fünfzehn Jahre hier, und ich kann Ihnen versichern, dass er wirklich krank ist. Er hätte fast jemanden erschlagen.» Sie legte ihre Stirn in Falten. «Mr. Glass wurde heute Abend erst eingeliefert.»
    «Ich würde ihn gern sehen und selbst entscheiden.»
    Mit voller Autorität machte sie nun Druck auf die arme Frau. Die Schwester wollte etwas einwenden, machte den Mund aber wieder zu.
    «Natürlich. Kommen Sie bitte mit!»
    Sanchez führte Darian aus dem Schwesternzimmer und durch eine weitere verriegelte Tür. Ihre Schritte hallten in dem langen, graugrünen Korridor, bis sie zu Elijahs Zimmer kamen. Darian spähte durch die kleine Panzerglasscheibe in der Stahltür.
    Elijah trug eine Zwangsjacke und war fest verzurrt. Am Hals traten die Sehnen hervor, weil er den Kopf wild hin und her warf. Er strampelte so heftig mit den Beinen, dass das schwere Bett fast hüpfte. Sein Mund stand offen, doch die dicke Tür dämpfte seine Schreie.
    «Wenn der nicht im Wahn ist …», sagte Schwester Sanchez, «… dann weiß ich auch nicht.»
    «Darf ich reingehen?»
    Zwar war der Wunsch in Form einer Frage formuliert, doch Sanchez verstand ihn als das, was er eigentlich war: ein Befehl.
    «Ich denke schon», sagte die Schwester mit leisem Zweifel in der Stimme. «Kommen Sie ihm nur nicht zu nah. Als er gebracht wurde, hat er einen der Pfleger gebissen.»
    Darian nickte. Sie konnte es kaum

Weitere Kostenlose Bücher