Gnosis
Identität herausgefunden …», er nickte, «… oder Valentinus.»
Elijah sah, wie die Emotionen vor seinen Augen hell erstrahlten.
Neugier, Staunen und Angst bei Winter.
Trauer und Entschlossenheit bei Laszlo.
Wut und Fassungslosigkeit bei ihm selbst.
«Ich will doch nur normal sein!», sagte Elijah schließlich und ließ los.
Er trat zurück und holte tief Luft. Er wusste nicht, was er als Nächstes tun sollte. Da traten die beiden Killer die Tür ein, und die schlimmste Nacht in Elijahs Leben wurde noch viel schlimmer.
KAPITEL 4
30. DEZEMBER 2007 – 23:59 UHR (24 STUNDEN, 1 MINUTE BIS ZUR NACHT DES JÜNGSTEN GERICHTS)
Laszlo wusste sofort, was sein Fehler gewesen war.
Er hatte gedacht, er würde die Mörder spüren, bevor sie zuschlagen konnten, doch sie waren vorbereitet. Als Laszlo ihre psychischen Mauern fühlte, wusste er, dass diese Männer nicht aufzuhalten waren – zumindest nicht durch empathische Fähigkeiten.
Er gab Sascha bissige Raserei ein, dann warf er sich auf die leuchtende Aura, die Winter war, und riss sie zu Boden, als der erste Schuss fiel. Laszlo spürte, wie die Kugel seine Lunge durchschlug und ihm sofort den Atem nahm.
Blut pumpte aus seiner Brust, und er wusste, dass der Tod ihn nun endlich eingeholt hatte.
Lose miteinander verbundene Gedanken rasten durch seinen Kopf.
Wer hat sie geschickt?
Ich wünschte, ich hätte Darian wieder in meinem Leben gehabt.
Wieder habe ich Elijah und Winter gegenüber versagt.
Charlie – es tut mir so schrecklich leid.
Ich wünschte, ich könnte noch ein letztes Mal Saschas Ohren kraulen.
Dann durchschlug die zweite Kugel seinen Schädel. Vom scharfen Schmerz in seiner Kopfhaut abgesehen, fühlte Laszlo gar nichts, als die Kugel sein Gehirn durchdrang. Schon immer fand er es seltsam, dass das Gehirn, das Zentrum aller Gefühle, das einzige Organ sein sollte, das schmerzfrei war. Nun begrüßte er diesen Umstand mit einiger Erleichterung.
Er hatte in seinem Leben schon zu viel Schmerz empfunden. Er war froh, dass er in seinem letzten Moment nicht mehr litt als nötig.
Elijah riss die Augen auf, als zwei Männer – einer blond und kräftig, der andere groß mit Glatze und Ziegenbart – die Tür eintraten und schossen. Er überlegte keinen Augenblick, denn irgendetwas in seinem Hirn hatte ihn schon einen Moment vorher in Alarmbereitschaft versetzt. Er ließ nur seinen Körper reagieren, nahm eine leere Bierflasche vom Nachtschrank und warf sie nach der Glatze.
Das dicke Glas traf den Mann an der Stirn. Er schwankte kurz, dann brach er bewusstlos zusammen. Elijah hechtete über den Kaffeetisch, um sich über den anderen herzumachen, aber Sascha war schon bei ihm. Sie war einmal quer durchs Zimmer gesprungen und hart auf seiner Brust gelandet.
Der Mann schrie, als ihm die Hündin ins Gesicht biss, und er drosch auf Saschas Kopf ein. Er war ihr nicht gewachsen. Elijah spürte den heißen, violetten Zorn, als sie den Kopf senkte und dem Mann in die Kehle biss, was ihn augenblicklich verstummen ließ.
«Nicht! Sascha!»
Elijah lief zu ihr und packte sie beim Halsband, riss sie von dem Mann los, als dieser schoss.
Die Kugel traf Sascha im Kopf. Sie flog durch die Luft, als wäre sie getreten worden, und blieb liegen … tot. Der Mann fing an zu würgen, Blut gurgelte aus seiner Luftröhre hervor. Sein ganzer Körper krampfte sich zusammen, dann ließ die Spannung nach, und seine Augen wurden starr.
«Oh, mein Gott», sagte Winter und hielt sich die Hand vor den Mund.
Sie lief zu Laszlo. Sein Kopf lag im Blut. Die dunkle Brille war heruntergefallen, sodass man die blinden Augen sehen konnte. Sie waren narbig und gelb. Tränen liefen über ihre Wangen. Winter nahm die Brille und setzte sie ihm wieder auf.
Winter vergrub ihr Gesicht an Elijahs Brust und weinte.
Als sie ihn berührte, sank Elijah zusammen, plötzlich von Trauer überwältigt. Er hatte Schmerzen in der Brust und alle Kraft verloren. Er konnte sich nicht von ihr lösen. Sengend heiße Tränen liefen über sein Gesicht, während er sich seine niederschmetternde Trauer zu erklären suchte.
Seit der Beerdigung seiner Schwester hatte er keine Träne mehr vergossen, doch da war er nun – weinte um diesen seltsamen Mann, den er
(seit Jahren)
erst ein paar Stunden kannte. Während er mit der drückenden Trauer rang, begriff er. Es war nicht seine Trauer, sondern Winters.
Er stand da und hielt diese fremde Frau im Arm, die er früher einmal geliebt
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