Gnosis
ruhiger Stimme.
«Ach ja?», sagte sie gereizt. «Wozu reden, wenn Sie meine Gedanken lesen können?»
«Ich kann Ihre Gedanken nicht lesen. Ich kann nur …»
«Halt! Das will ich gar nicht wissen. Ich muss … ich muss nur nachdenken.»
Leise antwortete Laszlo: «Ich verstehe.»
«Wie wollen Sie das verstehen?» Winter explodierte förmlich. «Waren Sie schon mal …», sie verzog den Mund, «… angekettet?»
«Nein.»
Winter schüttelte den Kopf. «Und wozu die Kreuze an den Ketten?»
«Ich brauchte ein starkes Symbol, um Sie zu konditionieren. Und es gibt nichts Stärkeres als das Kreuz.»
«Aber die Kette hat nicht richtig funktioniert, oder?», fragte Winter. «Obwohl ich sie nie abgenommen habe, habe ich – beim Spielen – meine … Empfindungen auf die Leute übertragen, oder?»
«Ja», sagte Laszlo und schüttelte den Kopf. «Inzwischen senden Millionen Handys, Wireless-Computer, GPS-Systeme und dergleichen Radiowellen aus, die es vor siebzehn Jahren noch nicht gab. Diese Signale haben die Fähigkeit der Menschen verstärkt, Gedanken zu erspüren. Deshalb polarisiert sich die Menschheit immer weiter, weil ihre wahren Gefühle offenliegen, wenn auch nur unterbewusst.
Beweise dafür finden wir auf der ganzen Welt. Die Gewalt in Form von Völkermorden und ethnischen Säuberungen hat sich verzehnfacht. Selbst in unserem eigenen Land gehen wir aufeinander los wie nie zuvor. Diese Veränderung spüre ich schon seit Jahren. Aber ich hätte nicht gedacht, dass sich dadurch die elektromagnetischen Schilde Ihrer Halsketten abschwächen würden.
In Verbindung mit Ihren eigenen Kräften, die im Laufe der Zeit durch den ständigen Kampf gegen Ihren Schutzschild zugenommen haben, hat die Wirkung nachgelassen.» Laszlo ließ den Kopf hängen. «Es tut mir leid, dass Sie beide leiden mussten.»
Winter schwieg. In ihrem Kopf drehte sich alles.
«Warum haben Sie unsere Erinnerung gelöscht?»
«Das war Dietrich. Aber ich habe ihm geholfen und mit meiner Gabe dazu beigetragen, dass Sie von dem, was geschehen war, nichts mehr wissen wollten.» Laszlo machte eine kurze Pause. «Ich hatte Angst, die Organisation könnte Sie finden. Solange Sie Energie ausstrahlten, konnten diese Leute immer jemanden wie mich auftreiben, der Sie finden würde. Zu verstecken waren Sie nur, wenn man es ganz und gar tat. Auch vor Ihnen selbst.
Nur Ihre Eltern kannten Ihr Geheimnis.»
«Mom …», stöhnte Winter. «Die ganzen Jahre … sie wusste es. Deshalb war sie immer so nervös, wenn ich einen Auftritt hatte. Sie hatte Angst, dass jemand rausfindet, wer ich bin. Und dann hat man mir die Kette gestohlen …»
Winter erstickte ihr Schluchzen, als sie an den entsetzten Blick ihrer Mutter dachte, kurz bevor ihr Herz stehenblieb. Vermutlich hatte Winter ihre eigene Angst ausgesendet, bis das Herz ihrer Mutter nicht mehr konnte. Es war Winters Schuld. Sie hatte ihre Mutter getötet.
«Was sollen wir denn jetzt machen?», fragte Winter. Sie sah zu Elijah hinüber und wünschte, er würde etwas sagen, aber er hielt den Blick gesenkt, versunken in seine eigenen Gedanken.
«Nun, ich werde Ihnen beibringen, wie Sie Ihre Gabe kontrollieren können», sagte Laszlo. «Ich weiß nicht, was Valentinus vorhat, aber ich muss ihn aufhalten. Das kann ich nur mit Ihrer Hilfe. Falls Sie mir helfen wollen.»
Winter seufzte. Ihr Leben lang hatte sie tief im Inneren gewusst, dass ihr etwas fehlte. Sie starrte Laszlo an. Ganz sicher wollte sie nicht die Gabe einsetzen, die zwei Menschen das Leben gekostet und so vielen geschadet hatte. Aber sie konnte auch nicht vor sich weglaufen. Nicht mehr.
«Okay», sagte sie schließlich und wischte sich eine Träne von der Wange. «Ich helfe Ihnen … wenn ich kann.» Dann wurden ihre Augen schmal. «Woher weiß ich, dass es auch wirklich meine Entscheidung ist? Dass Sie nicht einfach …?»
«Wissen Sie nicht», sagte Laszlo. «So gut sind Sie noch nicht. Aber wenn wir erst mal fertig sind, müssen Sie sich diese Frage nie mehr stellen. Weil Sie es wissen werden.»
Plötzlich fühlte/hörte sie ein tiefes Grollen, als käme ein gewaltiger Donner auf. Eine Sekunde später war Elijah aufgesprungen und packte Laszlos Hals.
Sascha knurrte, doch Laszlo bedeutete ihr, sich zu beruhigen, als Elijah ihn an die Wand drückte.
«Geben Sie mir meine Kette zurück!», rief Elijah.
«Ich habe sie nicht.»
«Wer dann?»
«Ich weiß es nicht», sagte Laszlo ganz ruhig. «Entweder hat die Organisation Ihre
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