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Gnosis

Gnosis

Titel: Gnosis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Adam Fawer
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denken: Ich liebe dich.
    Er hatte einen Kloß im Hals. Er schluckte sein Schluchzen herunter, während eine Träne über seine Wange lief. Er hielt Darian fester, drückte seinen nackten Leib an ihren, fühlte ihre seidig warme Haut. Er wusste nicht, wie lange er sie schon im Arm hielt. Er wusste nur, dass er sich, als er sie schließlich losließ, dazu entschlossen hatte, ihr zu vertrauen.
    Ein Entschluss, den er sein Leben lang bereuen sollte.

KAPITEL 20
     
     
    Seit er wusste, dass er anders war, hatte Laszlo davon geträumt, jemandem sein Geheimnis anzuvertrauen. Doch als sich ihm die Möglichkeit nun bot, erstarrte er förmlich.
    «Du bist nicht so allein, wie du glaubst.» Darian nahm seine Hände. «Ich kann auch fühlen, was andere empfinden.»
    Laszlo blinzelte. Sosehr Darian seine Welt schon auf den Kopf gestellt haben mochte – ihre letzte Bemerkung gab ihm den Rest.
    «Woher … woher wusstest du es?»
    «Wir wussten es nicht. Zumindest nicht sicher – aber wir haben es vermutet.»
    Laszlo rang um Worte, aber er wusste nicht, was er sagen sollte. Als sie sah (oder besser: spürte), wie fassungslos er war, sprach Darian weiter.
    «Ich arbeite für eine Organisation, deren Sinn und Zweck es ist, die Möglichkeiten des menschlichen Verstandes zu erforschen, und zwar anhand von Studien besonderer Kinder.» Darian machte eine Pause. «Um solche Kinder zu finden, haben wir einen Test entwickelt. Bisher hat die Organisation diesen Test an etwa 200.000 Schülern durchgeführt. Nur einhundert haben bestanden. Alles Fehldiagnosen, bis auf zwei: Winter und Elijah.»
    «Die Hochbegabtenprüfung», sagte Laszlo. Das letzte Puzzleteilchen.
    «Ja.»
    Laszlo erinnerte sich an den Test. Er bestand aus fünf Teilen, die sich mit jeweils einem der fünf Sinne befassten. Anfangs hatte er die Fragen für sinnlos gehalten, doch als er den dritten Teil überflog, änderte er seine Meinung. Denn das war der Teil, in dem es um Gerüche ging.
    «Es ging um Emotionen und die fünf Sinne. Heißt das, Leute wie … wie wir können Gefühle noch auf andere Weise wahrnehmen als über den Geruchssinn?»
    «Du nimmst Gefühle über den Geruch wahr?», fragte Darian ehrlich überrascht.
    «Du nicht?»
    «Nein», sagte Darian kopfschüttelnd. «Meine empathischen Fähigkeiten werden über den Tastsinn gesteuert. Ich erlebe Emotionen als physische Wahrnehmung auf der Haut. Winter hört sie. Und Elijah kann sie sehen. Wir alle erleben die Welt auf unterschiedliche Weise, doch die Voraussetzung – der Ursprung unserer Gabe – ist dieselbe: die Synästhesie.
    Der Definition nach handelt es sich um eine Vermischung der Sinne. Dietrich glaubt, sie wird durch eine Fehlschaltung in dem Teil unseres Gehirns ausgelöst, der externe Stimuli interpretiert. Visuelle Synästheten können Musik in Form verschiedener Farben und Formen buchstäblich ‹sehen›. Ich dagegen kann sie fühlen.»
    «Wie ‹fühlt› sich Musik denn an?», fragte Laszlo, um den körperlichen Ausdruck von Darians Gabe zu begreifen.
    «Je nachdem», sagte Darian und schloss die Augen. «Ein Liebeslied fühlt sich schwer und hart an, wie eine Mauer aus Stein. Rockmusik kitzelt fast, wie eine Feder auf der Haut. Pop fühlt sich spitz an, wie Nadeln.» Darian blinzelte, als käme sie aus einer Trance zurück. «Ist es für dich genauso? Unterschiedliche Gerüche bei unterschiedlichen Songs?»
    «Ja», sagte Laszlo. «Alles, was Emotionen auslöst, ein Lied, ein Bild, all das hat einen ganz eigenen Geruch. Aber die Gerüche gleichen einander auch. Alle Arten von Freude – Glück, Ekstase, Begeisterung, Entzücken – riechen ähnlich.»
    «Und wie riecht Freude?»
    «Nach angebrannten Zwiebeln.» Laszlo lächelte bedauernd. «Ich weiß. Nicht gerade das, was man erwarten würde. Kein emotionaler Duft passt zu dem, was man denkt. Wut riecht wie Asphalt nach einem Regenschauer. Trauer ist süß, wie warmer Honig. Das klingt bestimmt ziemlich merkwürdig für dich.»
    Laszlo war verwirrt. «Wie konntest du den Test für Augen und Ohren entwickeln, wenn du Gefühle gar nicht so wahrnimmst?»
    «Dietrich meinte, weil jeder Synästhet die Welt auf ganz eigene Weise wahrnimmt, müsste es den Empathikern eigentlich genauso gehen. Deshalb haben wir nicht versucht, herauszufinden, wer ‹wusste›, dass Wut wie Regen riecht. Wir haben die Antworten auf ihre interne Kongruenz hin geprüft.
    Im Test haben wir etwa hundertfünfzig Emotionen abgefragt. Nicht nur Wut. Auch Ärger,

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