Go vegan!: Warum wir ohne tierische Produkte glücklicher und besser leben (German Edition)
alt genug war, um das zu begründen, und nicht mehr nur sagen musste: »Bäh! Mag ich nicht!«, habe ich mich fortan geweigert, Fleisch zu mir zu nehmen. Für mich war einfach klar: Tiere esse ich nicht.
Dass ich von da an Vegetarier war, wusste ich damals noch nicht. Ich kannte das Wort wahrscheinlich gar nicht. Und dass es Veganer gibt, habe ich erst in meiner Punker-Anarcho-Zeit erfahren. Die fing mit etwa 15 Jahren an. Da wurde mein Alltag plötzlich politisch. Wir fanden grundsätzlich scheiße, was die Gesellschaft macht. Also auch, Fleisch zu essen. Es hat uns Spaß gemacht zu provozieren. Eigentlich kann man sagen, dass ich mit Fleisch und Fisch aufgewachsen bin. Meine Mutter hatte einen italienischen Partyservice. Von ihr habe ich auch von klein auf das Kochen gelernt: Oktopussalat und ganze Lachse, Papageienfische und Entenbrust anzurichten. Ich ekle mich nicht davor, mit alldem umzugehen, auch wenn mir die veganen Gerichte in der Zubereitung immer die liebsten waren.
In meiner »Hardcore-Zeit«, im Alter zwischen 15 und 20 Jahren, habe ich mit meinen Freunden zusammen ganz bewusst begonnen, die Zutatenlisten von Lebensmitteln zu studieren. Plötzlich wurde es eine Kopfentscheidung, auf tierische Produkte zu verzichten. Aus heutiger Sicht waren wir damals ganz schön radikal. Wir sprachen von Tier-KZs und nahmen Slogans wie »Milch ist weißes Blut« und »Fleisch ist Mord« sehr ernst. Wir haben Spuckis verteilt, das sind selbst gemachte Aufkleber, die man auf der Rückseite anlecken muss. Zu der Szene gehörte natürlich auch die Musik, die wir damals hörten: Four Walls Falling, Lifetime, Struggle und viele andere Hardcore-Bands. Auch die Do-it-yourself-Idee fanden wir gut. Wir hatten unsere eigenen Zeitungen und Plattenlabels, unsere eigene Infrastruktur. Außerdem sind wir zu Tierrechtsdemos gegangen.
Der Spirit in dieser Szene hat mir gut gefallen. Die Zusammengehörigkeit in der Gruppe fand ich toll. Dort war ich nicht der einzige Veganer. Im Gegenteil, wir waren ein Haufen Gleichgesinnter, hatten Kontakte in ganz Deutschland, aber auch nach Belgien und in die Niederlande. Damals hat man noch Brieffreundschaften gepflegt, E-Mails gab es noch nicht. Wir waren immer pleite und deshalb sehr kreativ. Zum Beispiel haben wir Fahrkarten und Briefmarken mit Klebestift bestrichen, damit man den Stempel abwischen und sie wiederverwenden konnte. Man musste sich gut organisieren und gegenseitig aushelfen, aber das machten wir gerne. Das ist etwas, was mir bis heute geblieben ist. Doch ich habe auch gemerkt, dass ich im Grunde kein politischer Mensch bin.
Heute ist die vegane Szene weniger dogmatisch. Das ist auch logisch. Früher war die Szene klein. Da war jeder Veganer ein dünner Halm im starken Gegenwind. Man musste ganz schön dagegenhalten, um nicht umgeweht zu werden. Heute ist die Opposition längst nicht mehr so stark. Stefan Raab quatscht mit Attila Hildmann im Fernsehen. Klar macht er seine Scherze, aber früher hätte er ihn gar nicht erst eingeladen. Die haben zusammen Spaß. Stefan Raab beißt ins Mettbrötchen und Attila Hildmann lacht. Das wäre früher undenkbar gewesen. Bis vor ein paar Jahren galt jeder Veganer als »Ernährungs-Nazi«. Man hat so viel Widerstand gespürt, dass man teilweise eine Laktoseintoleranz vorgetäuscht hat, um sich nicht rechtfertigen zu müssen. Heute reagieren die wenigsten Leute aggressiv auf Veganer. Deshalb können wir uns entspannen.
Das Kochen liegt mir im Blut. Die Familie meiner Mutter hat seit fünf Generationen mit Gastronomie zu tun, bei meinem Vater sind es drei Generationen. Köche, Restaurantbesitzer, Hüttenbetreiber, Barchefs, Konditormeister ... das volle Programm. Als ich mit 19 Jahren mit der Schule fertig war, zog ich von zu Hause aus und brauchte dringend einen Job. Also habe ich eine Stelle als Koch gesucht und unglaublich viele Läden abgeklappert. Doch einem 19-Jährigen nehmen nicht viele ab, dass er etwas schon beherrscht. Irgendwann – ich war bereits ziemlich verzweifelt – bin ich dann am Osho-Tao-Meditationszentrum München vorbeigelaufen. Damals war ich noch Anarcho-Punker und trug meine Dreadlocks so lang, dass sie mir bis zum Hintern reichten. Etwas derart Esoterisches wie ein Meditationszentrum kam eigentlich nicht für mich in Frage, denn alles, was mit Religion zu tun hatte, war uns suspekt. Frei nach Karl Marx: »Religion ist das Opium des Volkes«. Im Eingangsbereich des Zentrums hing ein Bild von Osho, dem indischen
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