Go vegan!: Warum wir ohne tierische Produkte glücklicher und besser leben (German Edition)
mehr (nicht ohne mir von einem Kellner einen Fonduetopf mit Gemüsebrühe bringen zu lassen, natürlich). Meine rigorose Verweigerung hatte ihn wohl in seiner patriotischen Ehre getroffen.
Bisweilen ging das Unverständnis aber auch so weit, dass man sich statt meiner eine andere wünschte. Als mein Exfreund seiner Großmutter von den »absonderlichen Essgewohnheiten« seiner damals neuen Flamme erzählte, tätschelte ihm diese beruhigend auf die Schulter und sagte voller Mitleid: »Junge, du findest schon noch die Richtige.« Sie sollte Recht behalten. Aber das war damals noch nicht klar. Stattdessen war ich für die fünf Jahre, die unsere Beziehung währte, von den freitäglichen Familienessen ausgeschlossen. Veganismus ist also oft auch etwas, was erst einmal entzweit.
Aber nicht nur das. Auch die vegane Szene selbst ist sich in vielen Punkten ganz und gar nicht einig. Oft beginnt der Zwist schon mit der Frage, wann sich jemand nun Veganer nennen darf und wann nicht. Genügt es, wenn man bei der Ernährung tierische Produkte weglässt? Oder muss dieses Dogma für alle Lebensbereiche gelten, also auch für Kleidung und Schuhe, Kosmetik, Putzmittel, Tierfutter und sogar Tattoostudios und Sexshops? Die Menschen, die in diesem Buch zu Wort kommen, haben dazu – ebenso wie über die Ziele, die sie verfolgen, und die Frage, wie diese Ziele zu erreichen sind – sehr unterschiedliche Meinungen.
Was meine Gespräche mit 20 Vertretern der veganen Szene aber auch zeigen: Es ist Bewegung in die Sache gekommen. Inzwischen ist der Veganismus in der Mitte der Gesellschaft angekommen. 800 000 Menschen leben heute laut einer Schätzung des Vegetarierbundes bewusst ohne tierische Produkte, Tendenz steigend. Es scheint zunehmend normal, dass sich Menschen Gedanken darüber machen, was sie zu sich nehmen – nicht nur aus gesundheitlichen Gründen, sondern auch darüber, was es für Tiere, Umwelt und Menschen bedeutet, wenn der Konsum von extrem günstig produziertem Fleisch, Milchprodukten und Eiern zum täglichen Bedarf gehört. Das ruft – auch das soll hier nicht verschwiegen werden – Menschen auf den Plan, die den Veganismus als Geschäftsmodell für sich entdeckt haben.
Immer mehr Deutsche wollen wissen, unter welchen Umständen die Tiere leben, die wir millionenfach weltweit zu Nahrungsmitteln und Gebrauchsgegenständen verarbeiten. Und immer mehr bezweifeln, dass die industriellen Produktionsmethoden, die dahinterstecken, moralisch vertretbar sind. Sie sind kritische Verbraucher. Aber um ihren Lebensstil zu verändern, sind auch diese Menschen auf Produkte angewiesen – auf vegane Produkte – und darauf, diese möglichst nah, bequem und in großer Auswahl kaufen zu können. Die vegane Szene besteht deshalb längst nicht mehr nur aus Gutmenschen, sondern auch aus Geschäftsleuten, die ganz bewusst von diesem Trend profitieren.
Es ist deshalb an der Zeit, der veganen Szene in Deutschland einen etwas ausführlicheren Blick zu widmen, als das gegenwärtig in den Massenmedien geschieht. Während die meisten Medienschaffenden noch damit beschäftigt sind, zu erklären, was es mit der seltsamen Randgruppe der »Veganer« auf sich hat, soll dieses Buch zeigen, wie differenziert und heterogen die vegane Szene in Deutschland ist. Die Protokolle bieten den Protagonisten die Möglichkeit, sich selbst so darzustellen, wie sie sich sehen, und geben nicht die Meinung der Herausgeberin wieder. Gerade deshalb sind sie spannend, denn oft widersprechen sie sich.
Die Gründe, warum sich ein Mensch für eine vegane Lebensweise entscheidet, scheinen so vielfältig wie die Menschen selbst. Oft geht es dabei um die Rechte der Tiere.
Wer einen Blick hinter die Kulissen der tierverarbeitenden Industrie wagt, wird feststellen, dass die Frage, ob Fleischkonsum eine dem Menschen natürliche Verhaltensweise ist oder nicht, schon lange keine Rolle mehr spielt. Wir mögen über Jahrhunderte Fleisch gegessen haben. Dagegen ist nur wenig einzuwenden. Doch die Entscheidung, die wir heute bei unserem täglichen Einkauf treffen, ist längst zu einer Entscheidung für oder gegen Massentierhaltung geworden. Das ist ein grausamer Fakt. Denn nur mithilfe einer Industrie, die Tiere als bloße Produktionsmittel begreift, deren Wohlergehen, Gesundheit und Rechte zu achten und zu wahren schlicht nicht wirtschaftlich ist, sind wir in der Lage, den immensen Bedarf unserer Gesellschaft an Fleisch, Milchprodukten und Eiern, aber auch an Leder, Wolle und
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