Go West - Reise duch die USA
freie Stelle und schaute den Weg hinunter. Merkwürdigerweise schienen sich ein paar Leute überhaupt nicht darum zu kümmern, dass man hier nicht weitergehen sollte. Da trotteten zwei Jogger vorbei, und eine Frau mit einem Kinderwagen und ein paar Rentner scherten sich auch nicht darum. Gerade wollte ich unter dem Absperrband hindurchschlüpfen, als mich eine Hand zurückzog.
» Stop, lady! Trespassing is not permitted! «
»Warum nicht? Die gehen doch auch da lang!«
Ich war ein wenig sauer, weil ich mich nicht gerne von Fremden anfassen lasse. Der Mann, der mich belehrt hatte, trug ein T-Shirt mit der Aufschrift staff und machte auf besonders wichtig.
»Das werden Sie gleich sehen, Ma’am.«
Murrend trat ich einen Schritt zurück und wartete. Liz zuckte die Schultern. Sie wusste auch nicht, was hier los war. Doch was dann passierte, jagte uns einen gehörigen Schreck ein. Mit einem Mal war Motorengeräusch zu hören, und im nächsten Moment schleuderte ein alter grauer Buick um die Weggabelung, wirbelte eine gehörige Menge Staub auf und schien geradewegs auf uns zuzuhalten. Die Zuschauer schrien auf, und beinahe jeder wich einen Schritt zurück. Keine zehn Meter hinter dem Buick raste ein zweiter Wagen heran, offensichtlich ein Polizeifahrzeug, denn ein kleines aufgesetztes Blaulicht rotierte, und dazu ertönte die Polizeisirene. Der Buick fing sich wieder, und der Fahrer trat das Gaspedal durch. Ich hielt die Luft an. Das konnte nicht gut gehen. Der Kinderwagen! , schoss es mir durch den Kopf. Die Leute auf dem Gehweg spritzten förmlich auseinander, um der drohenden Gefahr zu entgehen. Staub wirbelte auf, Dreck und kleine Steine flogen durch die Gegend, und laute Schreie erfüllten den Park. Mit rasendem Herzen musste ich mit ansehen, wie die Frau ihrem Kinderwagen panikerfüllt einen Stoß gab, sodass er ins Gebüsch rollte, und sich selbst nur durch einen Hechtsprung vor dem Fahrzeug retten konnte.
Eine Verfolgungsjagd!
Die beiden Autos schossen den Weg entlang, doch dann trat der Fahrer des Buicks urplötzlich auf die Bremse. Der Verfolger reagierte zu spät und knallte ungebremst auf das Heck. Metall kreischte. Glas splitterte. Dann herrschte Stille.
»Cut!« , brüllte jemand.
Verblüfft registrierte ich, wie auf der gegenüberliegenden Seite eine riesige, auf einem Gestell montierte Kamera samt Kameramann auf offensichtlich neben dem Weg verlegten Schienen zurückrollte. Der Mann auf dem Gestell reckte den Daumen in die Höhe. Kurz darauf erschienen wie von Geisterhand aus dem Gebüsch drum rum immer mehr Leute und klatschten sich ab.
»Okay«, ertönte dieselbe Stimme. »Das ist im Kasten!«
»Gott sei Dank«, sagte der Mann mit dem staff auf dem T-Shirt und grinste mich an. »Das waren die letzten beiden Wagen, die wir hatten. Die Szene musste einfach sitzen.«
Das Ganze hatte sich so schnell abgespielt, dass ich nur langsam in die Realität zurückkehrte. Das war ein Filmset!
»Da war kein Baby drin?«, fragte ich naiv.
»Nein!« Der Mann lachte. »Nur ein dickes Kissen. Keine Sorge, das sind alles Stuntleute, die verstehen ihren Job.«
»Sie drehen im Central Park solche Szenen?«, fragte Sandy, die auch ganz blass um die Nase war.
»Ja, sogar recht häufig. Hier wurden schon viele Szenen berühmter Filme gedreht. Aber für heute ist Schluss. Das Licht wird schlechter. Wenn ihr wollt, könnt ihr morgen wieder zuschauen.« Er zwinkerte mir zu. »Schließlich müssen wir morgen noch die Gangster aus dem Auto holen.«
Mit diesen Worten bückte er sich, schlüpfte unter dem Absperrband durch und gesellte sich zu seinen Kollegen vom Set.
Liz stieß hörbar die Luft aus. »Mann, ich hab schon oft davon gehört, dass sie hier drehen, aber da hab ich vorhin überhaupt nicht dran gedacht. Das war so … real! «
»Puh!« Ich registrierte meine schweißnassen Hände. »Ich hab mir fast in die Hose gemacht.«
»Aber cool war’s schon, oder?«, fragte Sandy.
»Hm.« Liz schaute auf die Uhr. »Noch ein bisschen bummeln bis um neun?«
»Neiiiin!«, kam es von Sandy und mir gleichzeitig. »Bloß nicht mehr bummeln! Mir tun die Füße weh!« Ich sah Liz so flehentlich an, dass sie lachen musste.
»Na gut. Suchen wir ein Café, machen es uns gemütlich und quatschen halt solange.«
Genau das taten wir. Die zwei Stunden vergingen wie im Flug, und obwohl unser Englisch noch nicht so gut war, konnten wir mit Liz diskutieren, als wären wir schon ewig in Amerika. Was wir nicht verstanden,
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