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Gods and Warriors - Die Insel der Heiligen Toten: Band 1 (German Edition)

Gods and Warriors - Die Insel der Heiligen Toten: Band 1 (German Edition)

Titel: Gods and Warriors - Die Insel der Heiligen Toten: Band 1 (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michelle Paver
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ist kein Unsinn.«
    Er warf ihr einen unsicheren Blick zu. »Warum müssen alle Inselbewohner etwas von ihrer Habe im Tempel abliefern?«
    Sie zögerte. »Vor langer Zeit lag nördlich von Keftiu eine schöne und reiche Insel, deren Bewohner jedoch den Erderschütterer verärgerten. Er stampfte so kräftig, dass die Insel zerbrach und unterging. Eine gewaltige Flutwelle kam über das Meer bis nach Keftiu. Daraufhin erlosch die Sonne und ein Erdbeben vernichtete den Tempel der Göttin.« Sie hielt inne und sah in die Flammen des Lagerfeuers. »Das war lange vor meiner Geburt. Inzwischen ist alles wieder aufgebaut, aber wir haben dieses Erdbeben niemals vergessen. Das Meer spendet Leben, aber es bringt auch den Tod.«
    Hylas pulte ein Fleischstückchen zwischen den Zähnen heraus. »In den Bergen gibt es auch manchmal Erdbeben, aber sie sind nicht so schlimm. Komisch, du nennst sie die Göttin und bei uns heißt sie die Herrin der Wildnis, aber den Erderschütterer nennen wir beim gleichen Namen.«
    Sie verzog arrogant die Lippen. »Manche Dinge kriegen sogar Achäer hin.«
    »Ich bin Lykonier.«
    Sie zuckte die Achseln. »Das ist doch ein und dasselbe, Lykonien ist ein Teil von Achäa.«
    Er legte mehr Treibholz aufs Feuer. »Wie sieht dieser Tempel der Göttin denn aus?«
    »Er ist voller Menschen, wie ein Bienenstock aus Stein. Man ist dort nie unbeobachtet.« Während sie erzählte, malte sich Hylas ein großes Dorf mit leuchtend weißen Steinbauten aus. Er sah riesige Doppeläxte aus polierter Bronze und Opfergefäße aus Kristall und gehämmertem Gold vor sich, große Krüge mit süßem, schwarzem Wein, und Männer, die mit bloßen Oberkörpern in tollkühnen Saltosprüngen über heranstürmende Stiere hinwegwirbelten. Alles nur, um die Götter zu besänftigen und Katastrophen zu verhindern.
    »Deswegen bin ich reich«, sagte Pirra. »Ich habe mein Leben in einem Steingefängnis zugebracht.«
    »Klingt wirklich schlimm«, stellte er sarkastisch fest. »Warme Kleidung, weiche Schaffelle zum Schlafen und jeden Tag Fleisch. Ich frage mich, wie du das ausgehalten hast.«
    Sie runzelte die Stirn. »Ich erwarte nicht, dass du mich verstehst.«
    »Warum hast du deine Wange verbrannt?«
    Pirra warf ihm einen Blick zu. »Weißt du, woraus dein Dolch besteht?«
    Er war überrascht. »Natürlich weiß ich das, das ist Bronze.«
    »Und woraus besteht Bronze? Aus Kupfer und Zinn. Beides findet man tief in der Erde und verschmilzt es im Feuer miteinander.«
    »Was hat denn das mit deiner Verletzung zu tun?«
    »So einiges«, gab sie wütend zurück. »Achäer benötigen Bronze, um Waffen zu schmieden. Sie haben zwar Kupfer, aber kein Zinn. Keftiu benötigen ebenfalls Bronze, aber obwohl wir weder Kupfer noch Zinn haben, können wir Zinn aus den Wüsten im fernen Osten bekommen. Darum hat meine Mutter einen Handel mit einem achäischen Stammesfürsten geschlossen. Wir tauschen Zinn gegen Kupfer, dadurch können sowohl Keftiu als auch Achäer Bronze herstellen.«
    »Das klingt doch ganz vernünftig.«
    »Warte ab, die Geschichte ist noch nicht zu Ende.« Im Schein des Feuers wirkte ihr Gesicht grimmig wie das eines Falken. »Um den Handel abzuschließen, hat meine Mutter in eine Heirat eingewilligt – in meine! Aber sie hat die Rechnung ohne mich gemacht, denn ich will absolut nicht heiraten. Ich habe geglaubt, mit entstelltem Gesicht käme ich für die Heirat nicht mehr in Frage, aber das war ein Irrtum. So, jetzt weißt du, warum ich weggelaufen bin.«
    Hylas stocherte mit einem Stock im Feuer herum. »Du hast bei deiner Flucht nicht mal Verpflegung mitgenommen, das war dumm.«
    »Essen?«, schrie sie verächtlich. »Das ist wohl alles, woran du denken kannst.«
    Er sah sie ungerührt an. »Dann hast du noch nie Hunger gehabt.«
    »Das stimmt nicht, hier auf dieser Insel habe ich …«
    »Nein, das war kein richtiger Hunger. Der Fischer hat dir ein paar Fische dagelassen. Richtiger Hunger tut weh.«
    »Als Ziegenhirt hast du bestimmt auch keinen Hunger gehabt, da gab es doch immer Milch und Fleisch.«
    Er lachte spöttisch auf. »Das waren doch nicht meine Ziegen! Und viel Milch kann man nicht stehlen, bevor einer dahinterkommt und dich prügelt.«
    Sie blinzelte überrascht. »Sie haben dich geschlagen?«
    Diesmal zuckte er die Achseln. »Na und? So ist es eben.«
    »Aber warum bist du dann nicht weggelaufen?«
    »Natürlich sind wir weggelaufen«, gab er gereizt zurück. »Aber sie haben jedes Mal die Hunde hinter uns

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