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Gods and Warriors - Die Insel der Heiligen Toten: Band 1 (German Edition)

Gods and Warriors - Die Insel der Heiligen Toten: Band 1 (German Edition)

Titel: Gods and Warriors - Die Insel der Heiligen Toten: Band 1 (German Edition)
Autoren: Michelle Paver
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schlafender Wal am Ufer.
    Der Delfin schwamm dicht heran. Männer scharten sich wie Krabben um kleine rote Feuer am Strand. Er mochte sie nicht und spürte, dass sie grausam waren.
    Mit einem Mal erblickte er eine kleine Gestalt auf den Felsen, die bis in die Bucht ragten. Wären die Männer nicht gewesen, hätte er vor Freude einen Nase-über-Schwanz-Sprung ausgeführt. Endlich hatte er den Jungen gefunden!
    Der Delfin tauchte unter und hielt eilig auf die vertraute Gestalt zu.

E twas Leuchtendes stieg aus dem Meer, und Telamon zuckte erschrocken zusammen.
    Der Delfin sah ihn einen Augenblick an, drehte sich zur Seite und war verschwunden.
    Telamons Herz schlug schneller. War das ein gutes Omen? Bedeutete es, dass Hylas noch am Leben war?
    Weit draußen entdeckte er den schimmernden Rücken. Der Delfin schwamm an der Küste entlang nach Norden. Telamon überlegte. Wollte das heilige Geschöpf ihm vielleicht ein Zeichen geben und ihm den Weg zu seinem Freund zeigen?
    Zwei Krieger eilten mit erhobenen Speeren heran. »Wir haben eine Rückenflosse gesehen! War das ein Hai?«
    »Ein Delfin«, sagte Telamon.
    Sie senkten die Waffen und einer der beiden rieb sich über das Gesicht. »Zum Glück habe ich keinen Speer nach ihm geworfen«, murmelte er.
    »Allerdings«, entgegnete Telamon kühl.
    Als die beiden kehrtmachten und ins Lager zurückgingen, ließ er suchend den Blick über die Wellen schweifen. Der Delfin war verschwunden, das Meer lag still wie eine Bronzescheibe.
    Entmutigt ließ er den Kopf in die Hände sinken. Alles war ganz anders gekommen, als er beabsichtigt hatte, und er hatte keine Ahnung, was er machen sollte. Er hatte Hylas versprochen, Issi zu finden, und sein Versprechen nicht eingelöst. Die Vorstellung, wie sie allein durch die Berge irrte, war quälend. Er hasste sich selbst, weil er nicht mehr unternommen hatte, um sie zu finden. Er hatte Issi und Hylas im Stich gelassen. Er hatte nur erreicht, dass sein Vater seinetwegen wütend und enttäuscht war – und er hatte obendrein seinen Onkel hintergangen.
    Aber hatte er eine andere Wahl gehabt? Kratos irrte sich, denn Hylas konnte unmöglich etwas mit dem gestohlenen Dolch zu tun haben. Er war bestimmt nicht der Fremdling, von dem das Orakel gesprochen hatte.
    Wer weiß, vielleicht spielt das inzwischen auch keine Rolle mehr, dachte Telamon verzagt. Vielleicht war Hylas längst nicht mehr am Leben.
    Immer noch sah er die Reste des zerschmetterten Bootes vor sich, das der Steuermann während der Überfahrt von Lykonien auf den Wellen entdeckt hatte. Ein Fischer an Bord hatte eine Spiere seines Bootes erkannt und kurz darauf den Hai in der Nähe des Schiffes entdeckt. Er hatte gelacht. »Sieht aus, als hätte er das Bürschchen zu fassen bekommen! Ha! Geschieht ihm nur recht!«
    Telamon hatte alles genau vor sich gesehen: wie der Hai seinen Freund angriff, wie das Wasser sich rot färbte, während Hylas, gefangen vom Kiefer des Ungeheuers, um sich schlug.
    Er hatte sich über die Reling gebeugt und sich übergeben, bis sein Bauch schmerzte.
    Die Männer hatten es als Seekrankheit abgetan, sein Onkel jedoch hatte ihm einen Seitenblick zugeworfen, als frage er sich, ob noch etwas anderes dahintersteckte.
    »Er ist am Leben«, sagte jemand hinter ihm. Die ruhige Stimme klang so kalt, dass Telamon erschauerte.
    Auch ohne Rüstung wirkte Kratos unnahbar. Seine Brust und der schwarze Lederschurz waren mit Asche beschmiert. Vom angestrengten Starren in die Ascheglut waren seine Augen blutunterlaufen. Er musterte Telamon mit undurchdringlicher Miene.
    »Wa-was hast du gesagt?«, stammelte Telamon.
    »Der Fremdling lebt«, erkärte Kratos. »Ich habe es in der Asche gesehen. Er ist hier auf dieser Insel.«
    Telamon schluckte. »Selbst wenn es stimmt, kann er unmöglich derjenige sein, den du suchst. Er hat den Dolch nicht, da bin ich mir sicher.«
    »Wenn du meinst.«
    »Er ist nur ein Ziegenhirte, der nichts weiß …« Telamon verstummte. Er durfte nicht den Eindruck erwecken, dass er Hylas verteidigte.
    Sein Onkel gab keine Antwort, und eine unangenehme Stille trat ein.
    Um das Schweigen zu brechen, erzählte Telamon von dem Delfin. »Vielleicht ist das ein gutes Omen«, schloss er.
    »Kann sein«, erwiderte sein Onkel. »Es kann aber auch bedeuten, dass unser Opfer erhört wurde und wir bald belohnt werden.«
    »Hoffentlich«, log Telamon.
    Kratos lächelte und bleckte die Zähne. Mit den hohen Wangenknochen und dem borstigen schwarzen Bart sah er
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