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Godspeed Bd. 1 - Die Reise beginnt

Godspeed Bd. 1 - Die Reise beginnt

Titel: Godspeed Bd. 1 - Die Reise beginnt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Beth Revis
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»Ich weiß es noch wie heute. Diese Sterne mit dem Schweif aus Licht. Das einzige Mal, dass ich die Sterne gesehen habe.«
    Ich ziehe Amy hinter mir her wie ein Kind.
    Die Schwester nickt dem jungen Mann zu. »Dagegen kann man nichts machen. Wir haben ein Zimmer für sie im vierten Stock. Ich schicke sie nach oben und sage Doc, dass er nach ihr sehen soll.«
    »Vielen Dank«, sagt der junge Mann, und ein erleichterter Seufzer schwingt in seinen Worten mit. Er spricht kurz mit seiner Mutter und übergibt sie dann an eine Schwester, die sie zum Fahrstuhl führt, an dem Amy und ich bereits warten.
    »Du bist der Junior. Der, der nicht gestorben ist«, sagt die alte Frau, als sie mich entdeckt. »Und das ist dieses Freak-Mädchen, von dem der Älteste uns erzählt hat.«
    »Hallo«, sagt Amy mit einem Lächeln und streckt der Frau die Hand entgegen. Wenn ich noch irgendeinen Zweifel daran hatte, dass mit Amy etwas nicht stimmt, dann ist er jetzt verflogen. Amy – die normale Amy, die ich kennengelernt habe – hätte sich niemals von einer alten Frau als Freak-Mädchen bezeichnen lassen.
    »Die sagen, dass ich krank bin«, erzählt die alte Frau Amy.
    »Hier ist das Krankenhaus«, sagt Amy sachlich wie ein Kind.
    »Ich fühle mich gar nicht krank.«
    »Nur verwirrt, meine Gute«, sagt die Schwester. »Vergangenheit und Gegenwart gehen ein bisschen durcheinander, sonst nichts.«
    »Das ist nicht gut«, sagt Amy, deren Augen weit geöffnet sind.
    Die Türen gleiten auf und wir alle betreten den Fahrstuhl. Ich drücke auf den Knopf für den dritten Stock. Die Schwester und die alte Frau wollen in den vierten.
    »Was ist im vierten Stock?«, frage ich. Mir ist schon öfter aufgefallen, dass Doc dort gelegentlich Patienten hinbringt, gewöhnlich die Grauen. Aber abgesehen von dem geheimen Fahrstuhl habe ich dort nie etwas Besonderes bemerkt.
    »Da sind die Zimmer für die älteren Patienten«, sagt die Schwester. »Manchmal sind sie nicht mehr in der Lage, für sich selbst zu sorgen, und dann bekommen sie dort ein Zimmer. Sie brauchen Ruhe und wir haben im vierten Stock die passenden Medis für sie.« Sie tätschelt der alten Frau die Hand und die lächelt sie an.
    Ich runzele die Stirn. Wieso sind alle Türen im vierten Stock abgeschlossen, wenn in den Zimmern nur alte Leute liegen und sich ausruhen?
    Die Türen gleiten am Gemeinschaftsraum der Station auf. Ich steige aus.
    »Hast du nicht etwas vergessen?«, fragt mich die Schwester.
    Amy steht immer noch im Fahrstuhl und starrt dumpf die Zahlen über der Tür an.
    »Drei«, sagt sie versonnen und betrachtet die erleuchtete Zahl.
    »Ja«, sage ich. »Komm jetzt.« Ich packe ihr Handgelenk und ziehe sie in den Gemeinschaftsraum. Viele der Psychiatrie-Patienten sind da. Ihre Gesichter sind düster und aus ihren Blicken spricht Wut.
    Amy verzieht das Gesicht. Ich sehe hinunter auf ihr Handgelenk und entdecke grünlich verfärbte Blutergüsse auf ihrer blassen Haut.
    »War ich das?«, frage ich und hebe ihr Handgelenk vorsichtig an, um es genauer zu betrachten.
    »Nein«, sagt Amy.
    »Was ist passiert?«
    »Ein paar Männer haben mich festgehalten«, sagt Amy. »Aber das ist okay.«
    Mein Herz klopft. »Ein paar Männer haben dich festgehalten ? Und das ist okay ?«
    »Ja.«
    »A … aber …«, stammele ich.
    Amy sieht blinzelnd zu mir auf, als könne sie nicht verstehen, wieso ich mich so aufrege.
    »Es ist dir egal, oder?«, frage ich.
    »Was?«
    »Alles.«
    »Es ist mir nicht egal«, sagt Amy, aber ihre Stimme klingt gelangweilt.
    »Weißt du noch, wann du diese Flecke bekommen hast?« Ich wedele mit ihrem schlaffen Handgelenk vor ihrer Nase herum. Ihre Augen richten sich kurz darauf, aber dann driftet ihr Blick wieder ab. Sie nickt. »Denk daran, wie du dich danach gefühlt hast. Was hast du gemacht?«
    »Ich glaube … geweint. Aber das ist albern. Es lohnt sich nicht, deswegen zu weinen. Alles ist prima.«
    Ich kann mich nicht mehr beherrschen. Ich lasse Amys Hand los, packe stattdessen ihre Schultern und schüttele sie. Ihr Kopf wackelt hin und her. Es kommt mir so vor, als würde ich eine Puppe schütteln. Und so sehr ich sie auch schüttele, ich schaffe es nicht, das Leben in ihre Augen zurückzuholen.
    »Was ist mit dir passiert?«, schnaufe ich und lasse sie los.
    »Nichts. Mir geht’s gut.«
    »Ich werde einen Weg finden, dich wieder in Ordnung zu bringen.«
    »Mir fehlt nichts«, sagt Amy, aber ihre Worte sind genauso leer wie ihre Augen.
    Ich führe sie

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