Godspeed Bd. 2 - Die Suche
verschwunden, fangen sie an zu flüstern.
»Lil?«, frage ich Doc und fange an, die verstreuten Medipflaster einzusammeln und in die Tasche zu stecken. Auch wenn sie mittlerweile überall auf dem Schiff verteilt sind, kann ich wenigstens dafür sorgen, dass diese nicht mehr in falsche Hände geraten.
Docs Gesichtsausdruck ist finster, aber er sieht nicht mich an, sondern starrt in die Richtung, in die Bartie verschwunden ist. »Sie ist die Tote, die Kit gefunden hat.«
Ich renne die Stufen zu der Wohneinheit hoch, in der Harley seine Kindheit verbracht hat. Ich weiß nicht, was ich dort zu finden hoffe – seine Mutter ist bereits tot. Die Wohnung ist unverändert – schmutzig und auch der etwas unangenehme Geruch steht noch in der Luft. Ich betrete das Schlafzimmer und Lil liegt genauso da, wie Amy und ich sie zurückgelassen haben.
Nur kleben jetzt drei hellgrüne Medipflaster auf ihrer Stirn. Und auf jedem steht ein Wort.
Folge dem Anführer.
»Du weißt, was das bedeutet, oder?«, fragt Doc. Als ich nicht antworte, fügt er hinzu: »Das war Mord. Jemand hat Lil umgebracht. Wegen dir.«
»Wegen mir?« Ich kann meinen Blick nicht von ihrem Körper abwenden.
»Folge dem Anführer. Das ist eine Warnung an alle, die es nicht tun.«
»Aber Lil hat nicht rebelliert. Sie hatte nichts mit Barties Gruppe zu tun und hat nie ein Wort gegen mich gesagt …«
»Sie hat nicht gearbeitet«, sagt Doc. Er setzt sich neben Lil aufs Bett und zieht ein Pflaster nach dem anderen ab. Sie sitzen fest und ihre Haut hebt sich jedes Mal ein bisschen, bevor sie sich mit einem leisen Schmatzen lösen. »Jeder, der nicht arbeitet, der nicht das tut, was für das Überleben des Schiffs nötig ist … der folgt dir nicht.«
Doc wartet, bis ich den Blick von Lils Leiche abwende. »Sie ist wegen dir umgebracht worden«, sagt er klar und deutlich, als müsste er sicherstellen, dass ich begreife, dass die Last ihres Todes auf meinen Schultern liegt.
34
Amy
Ich kann nicht mehr still sitzen. Ich renne zwar nicht mehr, aber hier auf dem schmalen Gang des Kryo-Decks, wo mich die verschlossenen Türen zu verhöhnen scheinen, kann ich nicht nachdenken. Ich muss mich bewegen . Als ich in der Lobby des Krankenhauses ankomme, sehe ich mich schreienden Patienten, gereizten Schwestern und einer Menschenmenge gegenüber, die von Minute zu Minute anwächst.
»Es ist ungefährlich!«, versichert Docs Lehrling Kit einer Frau lautstark. »Ein Einzelnes ist kein Problem!«
»Woher soll ich das wissen?«, fragt die Frau. Ihre Stimme klingt gedämpft, als hätte sie geweint.
»Sehen Sie sich doch an«, sagt Kit entnervt. »Es geht Ihnen doch gut, oder nicht?«
»Ich glaube schon … aber …«
Kit murmelt gereizt etwas vor sich hin und stürmt so hastig davon, dass wir beinahe zusammenstoßen.
»Entschuldige«, sagt sie.
»Kein Problem. Was geht hier vor?«
»Diese blöden Medipflaster. Die Leute haben Angst, sie könnten daran sterben, aber wenn sie eine Überdosis erwischt hätten, wären sie schon tot. Versuch mal, sie davon zu überzeugen.«
»Welche Medipflaster?«
Kit greift in die Tasche ihres Arztkittels und zeigt mir ein hellgrünes Pflaster. »Doc hat sie für die depressiven Patienten entwickelt. Sie wirken auch sehr gut. Wenn man nur eins nimmt. Das Problem ist nur, dass die Leute gehört haben, dass zwei oder mehr Pflaster tödlich sind.«
»Was ist da drin?«
»Phydus.« Sie sagt es ganz selbstverständlich, wartet aber auf meine Reaktion, bevor sie fortfährt.
Phydus. Ich dachte, das hätten wir hinter uns gelassen.
Ein Teil von mir ist wütend. Sehr, sehr wütend. Ich dachte, Junior und ich wären uns einig. Ich dachte , er hätte es versprochen . Kein Phydus mehr. Aber ein anderer Teil von mir kann nicht vergessen, wie sich die Stadtbewohner in einen aufgebrachten Mob verwandelt haben.
»Wir werden alle sterben!«, kreischt die Frau, mit der Kit gerade noch gesprochen hat. Sie packt die Aufschläge von Kits Kittel so fest, dass ihre Knöchel ganz weiß werden.
Kit umfasst eines der Handgelenke der Frau und komischerweise lässt sie Kit sofort los. Ihre Hände fallen herab und ihr ganzer Körper entspannt sich.
»Ist es so nicht viel besser, meine Liebe?«, fragt Kit sie sanft.
Die Frau antwortet nicht. Erst da bemerke ich das hellgrüne Medipflaster auf ihrem Handrücken.
Kit führt die Frau zu einem Stuhl an der Wand und setzt sie dort hin. Mit zufriedener Miene dreht sie sich wieder zu mir um. Und ich kann
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