Godspeed Bd. 2 - Die Suche
ihm.«
Er steht auf. »Danke, dass du mir das erzählt hast, Amy«, wiederholt er.
»Junior?«
Er geht weg, die Hände immer noch zu Fäusten geballt.
49
Junior
»Junior, da ist … du musst sofort in die Stadt kommen.«
Docs Anruf kommt genau in dem Moment, als ich ihn am wenigsten brauchen kann. Nach Amys Bericht hatte ich mir Luthor vorgenommen. Ich war in meinem ganzen Leben noch nie so wütend. Ich spüre immer noch, wie die Wut durch meine Adern rauscht, auch wenn sie sich mittlerweile ein wenig abgekühlt hat.
»Verdammt!«, fluche ich. »Ich renne dauernd von einem Ende des Schiffs zum anderen! Ich habe das alles so satt!«
Doc schweigt einen Moment. »Das wirst du nicht mehr lange tun müssen.«
Im ersten Augenblick denke ich, er spricht vom Planeten, aber das kann nicht sein, weil ich ihm noch nichts davon erzählt habe. Bisher wissen es nur Amy und die Leitenden Techniker.
»Was soll das heißen?«
»Junior, es herrscht Chaos. Es ist – Meuterei.«
»Verdammt!«
»Ich glaube, es ist Bartie, aber – hör zu, du musst sofort herkommen.«
Ich brauche eine Weile, um vom Kryo-Deck in die Stadt zu kommen, obwohl ich, getrieben von der Dringlichkeit in Docs Stimme, fast den ganzen Weg renne. Aber schon bevor ich die Stadt erreiche, merke ich, dass etwas nicht stimmt, ganz und gar nicht stimmt. Ich höre es – oder vielmehr, ich höre es nicht . Es fehlen die normalen Alltagsgeräusche, die sonst immer zu hören sind. Stattdessen sind nur gedämpfte Stimmen und die Schritte rennender Menschen zu vernehmen.
Und dann sehe ich es.
Die ESZU liegt am Ende der Hauptstraße und dort haben sich alle versammelt. Sie alle sehen dasselbe an.
Die Leiche von Fridrick.
Sein Körper ist mit so vielen Medipflastern übersät, dass sie an seiner Haut kleben wie Fischschuppen. Jemand hat ein großes Stück Stoff geholt, vermutlich aus einer der Webereien, und im zweiten Stock der ESZU zwischen zwei Fenstern aufgespannt. Fridricks Körper hängt in diesem behelfsmäßigen Banner, seine Arme und Beine ragen daraus hervor.
In großen schwarzen Buchstaben steht Folge dem Anführer auf dem Tuch.
»Das ist eine Botschaft!«, brüllt jemand. Mein Blick wandert von dem Banner mit der Leiche zum Eingang der ESZU, wo Bartie steht.
Erst da wird mir bewusst, dass die Leute nicht wegen des toten Fridrick geschwiegen haben. Sie haben darauf gewartet, dass Bartie spricht.
»Jeder, der dem Anführer « – er spuckt dieses Wort förmlich aus – »nicht blindlings folgt, wird erledigt! Haben wir es nicht bei Stevy gesehen? Kaum hatte er gegen Junior protestiert, war er auch schon tot!«
»Gegen mich protestiert« ist ein wenig untertrieben – der Mann hat mir ins Gesicht geschlagen.
»Und wir alle kennen Fridricks Proteste! Er hat versucht, uns alle zu retten, die Essensvorräte sparsam zu verteilen, und … seht nur, was passiert ist! Junior hat ihn gezwungen, das Essen zu verteilen, und jetzt ist nicht mehr genug da! Und Fridrick« – er macht eine dramatische Pause und schwenkt den Arm zu der Leiche über ihm – »ist zum Schweigen gebracht worden!«
Falls Bartie versucht, eine Revolution anzuzetteln, klappt es nicht besonders gut. Die Leute in den ersten Reihen jubeln ihm zwar zu, aber ich muss schmunzelnd feststellen, dass mindestens zwei Drittel der Menge schweigen. Sie sind zwar beunruhigt, aber noch nicht dazu bereit, die einzige Regierung zu stürzen, die sie je gekannt haben.
Ich werde trotzdem nicht tatenlos zusehen, wie Bartie Lügen über mich verbreitet.
Ich aktiviere meine Dra-Kom für einen Allruf.
»Achtung, alle Bewohner der Godspeed«, sage ich. Die Gruppe ganz vorne verstummt. Viele drehen sich zu mir um. »Wie ihr wisst, hat das Ältesten-System auf diesem Schiff schon seit unzähligen Generationen gut funktioniert. Ich habe beschlossen, ein wenig anders vorzugehen als mein Vorgänger. Ich habe euch die Möglichkeit gegeben, eigene Entscheidungen zu treffen.«
Biep, biep-biep.
»Achtung, alle Bewohner der Godspeed«, spricht Barties Stimme in meiner Dra-Kom. Ich schaue ruckartig auf. Bartie starrt mich über die Menge hinweg trotzig an. »Junior ist nicht der Einzige, der das Dra-Kom-System kontrollieren kann. Aber er hat recht. Er hat uns ermöglicht, eigene Entscheidungen zu treffen. Und dafür danke ich ihm.« Er deutet ein Kopfnicken in meine Richtung an. »Weil er uns in die Lage versetzt hat, jemand anderen als ihn zu wählen.«
Jetzt richtet sich die allgemeine
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