Godspeed | Die Ankunft
stimmt’s?« Ich weiß nicht, woran Bartie denkt, aber ich erinnere mich gut, wie ich immer den Seuchenältesten gesehen habe – er war mein Vorbild, dem ich nacheifern wollte. Aber dann habe ich herausgefunden, dass ich nicht aus demselben Holz geschnitzt bin wie er und dass es nicht unsere gemeinsame DNA ist, die uns zu so unterschiedlichen Anführern gemacht hat.
Aber das spielt jetzt keine Rolle mehr. Das Gesicht der Statue ist verwittert und in die Wangen haben sich Furchen gegraben wie Tränenspuren. »Er wusste es«, berichte ich Bartie. »Der Seuchenälteste. Er wusste, was da unten war. Er
muss
der König sein, auf den Orion in seinem letzten Hinweis Bezug nahm, und alles, was bei Orions Puzzle noch fehlt, ist die Information, wer die Aliens sind und was sie wollen. Und wie wir sie stoppen können.«
Bartie sieht nicht überzeugt aus. »Und das hast du alles aus einer Kritzelei in einem Kinderbuch?«
Ich schüttele den Kopf. »Du hast ja keine Ahnung, welche Spielchen Orion mit uns gespielt hat. Für ihn war das Ganze einfach nur ein Rätsel, immer nur ein Spiel.«
»Und dieses … was auch immer … das Orion versteckt hat, soll eine Art … Bekämpft-die-Aliens sein?« Bartie zweifelt immer noch – sowohl an dem Hinweis als auch an der Bedrohung auf dem Planeten.
Ich seufze und schaue auf zum Betongesicht des Seuchenältesten. Die Wahrheit ist, dass ich es nicht weiß. Ich weiß gar nichts. Vielleicht ist es so. Vielleicht nicht. Ich wünschte, Orion wäre hier und könnte es mir sagen.
»Deine Überlebenschancen gefallen mir nicht besonders.« Bartie beugt sich vor. »Aber sie sind zweifellos besser als unsere.« Mit einem Kopfrucken deutet er auf die Statue. »Was glaubst du, was da drinsteckt?«
»Keine Ahnung«, gestehe ich. »Vielleicht eine Video-Aufzeichnung oder ein Buch. Vielleicht auch ein weiterer blöder Hinweis, der uns in das nächste ›Kaninchenloch‹ führt, wie Amy immer so gern sagt.« Ich grinse ihn an, aber eigentlich gilt das Lächeln eher Amy, auch wenn sie es nicht sehen kann. »Lass es uns einfach rausfinden«, sage ich.
[zurück]
61 Amy
Ich sprinte zur Wiese, und Erdbrocken prasseln auf mich herab, als eine der Glasbomben oben im Hügel explodiert. Mit den Armen über dem Kopf renne ich, so schnell ich kann, muss aber den Atem anhalten, weil der Rauch in meine Richtung weht. Ich hoffe, dass mir die Latrinen ein wenig Deckung geben, bevor ich zum See renne und von dort am Waldrand entlang zur Anlage. Wenn ich es bis zum Kommunikationszentrum schaffe, kann ich die Aliens aussperren. Dafür ist das biometrische Schloss gedacht – es soll dafür sorgen, dass nur Menschen diesen Raum betreten können.
Doch dann muss ich an das große Fenster denken. Hoffentlich ist es aus etwas Stärkerem als Glas, denn sonst könnten die Aliens es einfach wegsprengen. Aber daran will ich jetzt nicht denken. Ich werde ins Kommunikationszentrum gehen, mit Junior sprechen; und wenn wir einen Weg gefunden haben, die Aliens loszuwerden, wird alles gut.
Ich jogge einen Moment lang auf der Stelle und bereite mich darauf vor, durchzustarten und zum See zu rennen, als plötzlich jemand meinen Arm packt. Beinahe hätte ich losgekreischt, aber ich werde zurückgerissen, und jemand presst mir eine Hand auf den Mund.
»Ich bin es!«
Ich befreie mich und drehe mich um zu Chris, der mich mit seinen blauen Augen ansieht.
»Was machst du hier?«, keuche ich und ziehe mich tiefer in den Schatten der Latrine zurück. Das hohe Gras der Wiese bietet uns wenig Deckung.
»Psst!«
Er sieht sich hektisch um.
Der Kampf verursacht einen solchen Lärm, dass uns bestimmt niemand hören kann, aber ich senke trotzdem die Stimme. »Ich wollte zur Anlage«, sage ich.
Er nickt. »Gute Idee. Ich komme mit.«
Ich will widersprechen. Ich habe es nur bis zu den Latrinen geschafft, weil sie nicht weit weg sind und überall Chaos herrscht. Aber bis zum See gibt es keinerlei Deckung und zwei rennende Personen fallen viel mehr auf als eine.
Chris hebt seine Waffe, ein Schnellfeuergewehr. Ich ziehe meine Achtunddreißiger. Wenn es um die Feuerkraft geht, ist es vielleicht nicht schlecht, eine weitere Waffe in der Nähe zu haben.
Wir rennen auf direktem Weg zum See. Ich schaue mich immer wieder um, ob uns jemand folgt, aber in der Kolonie herrscht ein solches Durcheinander, dass uns niemand bemerkt. Aus den ersten Häusern quellen Rauchwolken. Der Anblick bricht mir das Herz. Die Aliens haben die Kolonie
Weitere Kostenlose Bücher