Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Godspeed | Die Ankunft

Godspeed | Die Ankunft

Titel: Godspeed | Die Ankunft Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Beth Revis
Vom Netzwerk:
niemand mehr benutzt. Wahrscheinlich nicht mehr seit dem Seuchenältesten.
    Die Aufzeichnung ist beschriftet – jemand hat mit schwarzer Tinte Folgendes auf das weiße Etikett geschrieben:
    Dies sind die Originalaufnahmen, aufgezeichnet von Captain Albert Davis, dem ersten Ältesten der Godspeed und Begründer der Ältestenherrschaft. Kopien dieser Aufnahmen werden jedem folgenden Ältesten ausgehändigt und dieses Original für den Fall einer Meuterei sicher verwahrt.
    Orion muss zwei Dinge gewusst haben, als er mir den Hinweis in
Der kleine Prinz
hinterlassen hat. Zum einen, dass die für den Ältesten bestimmte Kopie verschwunden ist. Und zum anderen, dass das Original hier versteckt war – wieder eins von diesen Ältestengeheimnissen, in die mich nie jemand eingeweiht hat. Ich vermute, dass sich der Seuchenälteste gedacht hat, dass die Leute im Fall einer Meuterei seine Statue zerschlagen und die Wahrheit hinter seinem Betonherzen finden würden.
    Ich lege die Videoaufzeichnung ein und halte den kleinen Bildschirm im Schoß, damit Bartie auch zusehen kann.
    Das Gesicht eines Mannes taucht auf dem Schirm auf. Es sieht meinem sehr ähnlich, ist aber von Alter und Sorgen gezeichnet. Er dürfte altersmäßig irgendwo zwischen Orion und dem Ältesten liegen, ist also vielleicht fünfzig oder so, aber eine Narbe auf seiner Wange zieht die linke Seite seiner Lippe herunter, was ihn irgendwie missgelaunt wirken lässt. Er trägt seine Haare – sehr viele sind es nicht mehr – kurz geschnitten, und im Grau kann ich immer noch vereinzelte schwarze Strähnen ausmachen. Aber auch wenn die Haare ganz anders aussehen, sind seine Gesichtszüge meinen erstaunlich ähnlich.
    Er ist der Seuchenälteste. Der Erste von uns. Das Original, von dem ich, Orion, der Älteste und alle anderen vor ihm nur geklonte Kopien sind. Vielleicht wurden wir im Laufe der Zeit »verbessert«, genetisch verändert, um stärker, einheitlicher im Aussehen und charismatischer zu werden. Aber trotz allem erkenne ich mich in ihm.
    » Ich fürchte «, beginnt der Seuchenälteste mit einer Stimme, die deutlich tiefer ist als meine, »dass dies das Ende ist.«

[zurück]
63 Amy
    »-lo?« Juniors Stimme aus dem Auto-Shuttle dringt nur knisternd aus dem Funkgerät. Chris und ich hechten darauf zu.
    »Hallo? Hallo?«, rufe ich panisch und male mir bereits die schlimmsten Katastrophen aus.
    »Amy, bist du das?«
    »Ja!« Mir kommen vor Freude fast die Tränen. »Junior, du lebst! Ich habe mir solche Sorgen gemacht.«
    Sein Lachen ist unendlich weit weg, aber es ist trotzdem
sein
Lachen. »Natürlich lebe ich. Was hast du denn gedacht?«
    Ich kann meine Ängste unmöglich in Worte fassen.
    »Amy, ich muss dir was sagen –« Junior verstummt, und ich befürchte schon, dass die Verbindung abgebrochen ist. »Ich habe den letzten Hinweis gefunden«, fährt er fort.
    Ich blinzle überrascht. Sehr glücklich hört er sich nicht an. »Ehrlich?«
    »Ja, und … es wird dir nicht gefallen.«
    »Was ist es?« Mein Mund ist jetzt so nah am Mikro des Funkgeräts dass ich das Metall schmecken kann. Hinter mir bewegt sich Chris und ich fahre erschrocken zusammen. Juniors Stimme zu hören, hat mich ganz vergessen lassen, dass er noch da ist.
    »Ich glaube … ich kann es dir zeigen. Einen Moment, ich versuche es.«
    Chris berührt den Bildschirm der Kontrolleinheit. »Ich nehme an, dass er uns ein Video zeigen will«, sagt er. »Ich kann ihm von hier aus helfen, es hochzuladen.« Er fährt über den Bildschirm und ruft ein Menü auf.
    »Ist bei dir alles in Ordnung?«, frage ich Junior.
    »Klar.« Er klingt abgelenkt. Einen Augenblick später fügt er hinzu: »Wieso? Ist bei euch irgendwas los?«
    Ich werfe Chris einen Blick zu, der kaum merklich den Kopf schüttelt. Wir sollten Junior nichts von dem Angriff erzählen, zumal er nichts dagegen unternehmen kann. Wenn ich an Chris vorbeischaue, sehe ich den Wald und dahinter eine Rauchwolke. Und es ist nicht unser Blütenrauch – da brennt etwas viel Größeres.
    »Erledigt«, sagt Chris und tippt auf den Bildschirm, wo ein Video geladen wird.
    »Hat es geklappt?«, fragt Junior.
    »Ja, es ist angekommen«, bestätige ich.
    »Seht euch den Film an; ich gehe zurück und helfe beim Packen. Jeder, der noch an Bord der
Godspeed
ist, wird mitkommen – und wir bringen Vorräte für alle mit.«
    Ich sehe wieder aus dem Fenster auf die Rauchwolke. Vielleicht gibt es niemanden mehr, an den man Vorräte verteilen

Weitere Kostenlose Bücher