Godspeed | Die Ankunft
ihr ankomme, diskutiert sie mit ihrer Mutter, die gerade Schlafsäcke auf den Tischen der Boxen 40 , 41 und 42 ausbreitet.
»Das ist nicht fair«, sagt Amy zu ihrer Mutter.
»Was ist nicht fair?«, fragt sie und streicht den Schlafsack glatt.
Amy schaut auf, als sie mich kommen sieht, und ihre Mutter folgt ihrem Blick. »Dass wir nur hundert Schlafsäcke haben«, antwortet Amy.
»Wieso ist das nicht fair?« sagt ihre Mutter, jetzt absichtlich gelassen und ruhig.
»Mom, das ist Junior«, unterbricht Amy die Diskussion. »Ihr beide seid euch ja noch nicht offiziell vorgestellt worden. Junior, das ist meine Mutter, Dr. Maria Martin.« Ich glaube nicht, dass sie mich Dr. Martin vorstellen musste. Sie nimmt meine Gegenwart mit einem knappen Nicken zur Kenntnis, und ihre Maske der Höflichkeit verrät mir nicht, was sie wirklich denkt. Ich kann also nur ahnen, was Colonel Martin ihr über mich erzählt hat.
Dr. Martin streicht noch einmal über den Schlafsack, der auf Amys Tisch liegt, obwohl es nicht nötig ist. Unter ihrem eigenen Tisch entdecke ich die Gläser mit dem glühenden Sand, den sie am Ende unseres Ausflugs eingesammelt hat. Ich muss die Proben dauernd ansehen und frage mich – genau wie Amys Mutter – was es wohl ist, das den Sand glitzern lässt wie Sterne.
»Die FRX hat uns die wichtigsten Gegenstände des täglichen Bedarfs für die Zeit nach der Landung zur Verfügung gestellt. Deswegen sind es nur hundert, also genau ausreichend für uns«, erklärt Dr. Martin. »Woher sollte die FRX wissen, wie viele Leute zum Zeitpunkt der Landung an Bord sein würden? Außerdem wussten
sie
schließlich, dass sie abreisen würden, nicht wahr?« Sie sieht mich wieder an und hat immer noch diesen distanziert-höflichen Gesichtsausdruck, den sie bei meinem Eintreffen aufgesetzt hat. »Natürlich haben Junior und seine Leute ihre eigenen Vorräte eingepackt und entsprechende Vorkehrungen getroffen. Immerhin hatten sie jahrhundertelang Zeit, sich auf diesen Augenblick vorzubereiten.«
Ich muss an die letzten Tage vor dem Start des Shuttles denken. Es war das reinste Chaos. Alle standen noch unter Schock wegen des Aufstands in der Stadt und wegen Barties Entschluss, nicht mitzukommen. Manche Leute sind erst im letzten Augenblick an Bord des Shuttles gekommen, sind zu dem Eingang im Teich gerannt, kurz bevor ich die Türen schließen konnte, und sie hatten nur eine Handvoll Dinge bei sich. Niemand hat an ein Bett gedacht. Und die paar Decken oder Quilts, die einige mitgenommen haben, sind eher Erbstücke als Schlafdecken.
»Wir haben zwei übrig«, sagt Amy. Die Schlafsäcke von Robertson und Kennedy, den beiden, die Orion ermordet hat. »Junior kann doch einen davon nehmen. Und vielleicht Kit den anderen?«
Ich schüttele den Kopf. Ich werde ganz sicher nicht komfortabler schlafen als meine Leute. »Wir kommen zurecht, Amy«, sage ich. »Wir hätten vorbereitet sein sollen.«
Amy will widersprechen, aber ihre Mutter lässt sie nicht zu Wort kommen. »Genau wie ich sagte: Die Schiffsgeborenen kommen zurecht, das hast du doch gehört. Und jetzt geh ins Bett.«
Ich merke, dass Amy etwas erwidern will, aber ich schüttele kaum merklich den Kopf. Ich will nicht, dass sie sich mit ihrer Mutter streitet, nicht wegen mir und nicht wegen eines Schlafsacks. Amy kommt auf mich zu und greift nach meiner Hand – ich weiß nicht, ob sie mir auf meine Seite des Schiffs folgen oder mich auf der Seite der Aufgetauten halten will – aber ich kenne meinen Platz im Shuttle und sie kennt ihren. Deswegen weiche ich ihrem Griff aus und kehre zurück zu meinen Leuten. Dr. Martin hat eine Maske getragen, um ihr Misstrauen zu verbergen, als sie mit mir reden musste; da kann ich ebenso gut eine aufsetzen, damit niemand sieht, wie gern ich bei Amy geblieben wäre.
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13 Amy
Brrt! Brrt!
Ich fahre hoch, in meinen Schlafsack verstrickt, denn ein Alarm tönt durch den Kryo-Bereich, und an der Decke blinken rote Warnlampen.
»Was ist los?«, frage ich meine Mutter und reibe mir den Schlaf aus den Augen.
Dad rennt bereits in Richtung Brücke. Eine Sekunde später folgt ihm Junior. Ich ziehe meine Beine aus dem Schlafsack, springe auf und rase den Flur hinunter.
An der Tür erwischt mich Emma Bledsoe. »Lass das Colonel Martin regeln –«, beginnt sie, doch ich reiße mich los und renne weiter. Sie ist mir dicht auf den Fersen.
»Was ist das?«, überschreie ich das Alarmsignal. Dad schaut auf, während Junior damit
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