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Goebel, Joey

Goebel, Joey

Titel: Goebel, Joey Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heartland
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Gene an diesem Nachmittag auf einem schicken schwarzen Ledersofa im Empfangsbereich Platz nehmen und zehn Minuten warten, ehe er das Büro seines Vaters betreten durfte. So beeindruckend es für andere Menschen sein mochte, dass er Henry Mapothers Sohn war, Henry Mapother selbst ließ es ziemlich kalt.
    Henry Mapother ließ aus Prinzip alle seine Besucher warten, ehe er sie empfing. So konnte er seine Überlegenheit demonstrieren, ehe er den Besucher auch nur gesehen hatte. Einem ähnlichen Zweck diente die Maßnahme, gelegentlich Personen anzurufen, um sie sofort wieder in die Warteschleife zu verbannen. Wenn sie auflegten, unterstellte er, dass sie ihn nicht genug respektierten, und brach die Geschäftsbeziehung zu ihnen ab.
    »Hallo, Eugene. Tut mir leid, dass du warten musstest.«
    Er und Blue Gene gaben einander über den riesigen Schreibtisch hinweg die Hand.
    »Du hast ein echt schickes Büro.« Blue Gene drehte sich einmal um die eigene Achse und betrachtete 360 Grad Mahagoniholz und burgunderfarbenes Leder. »Hier drin riecht’s wie in einem neuen Auto. Übrigens, ich war noch nie hier.«
    [371] »Tatsächlich?«
    »Nein.«
    Henry war froh, dass er die gerahmten Fotos auf seinem Schreibtisch im Blick hatte und nicht Blue Gene. Da standen ein Foto von ihm und Elizabeth während ihrer Flitterwochen an der Côte d’Azur und eins von John an dem Tag, als er seinen Abschluss in Harvard machte, und sogar eins von Arthur im Sonntagsanzug vor dem Kirchgang. Aber keins von Eugene.
    »Setz dich doch. Möchtest du etwas trinken?« Er wies mit dem Kopf auf die elegante elfenbeinerne Bar in der Ecke.
    »Danke, nein.«
    »Na dann, was bringt dich heute hierher?« Sein habichtartiges Gesicht wirkte ernst und geschäftsmäßig, und er konzentrierte sich auf das Thema, das nun vorgebracht werden würde, zuversichtlich, jedes Problem lösen zu können.
    »Tja, du erinnerst dich an das Geld aus dem Erbe deines Dads, das er mir hinterlassen hat?«
    »Ja.«
    »Ich hab’s mir überlegt, und ich bin bereit, es mir jetzt auszahlen zu lassen.«
    »Verstehe. Steckst du in irgendwelchen Schwierigkeiten?«
    »Nein«, entgegnete Blue Gene empört. »Wie kommst du denn darauf?«
    »Du selbst hast bei mehreren Gelegenheiten betont, du würdest dein Erbe nur in einer Notsituation antreten.«
    Henrys Vater, John Henry Mapother der Dritte, war gestorben, als Henry sechzehn war. Der Gründer von Westway – und selbst ein Erbe – hatte die Hälfte seines Vermögens seiner Witwe und Henry hinterlassen, ihrem einzigen Sohn. Die [372] andere Hälfte sollte gespart und unter Henrys zukünftigen Kindern aufgeteilt werden. Henry hatte Blue Gene vor Jahren den Zugriff auf sein Erbe angeboten, doch damals war Blue Gene stolzer neuer Mitarbeiter der Firma Wal-Mart und vom Unabhängigkeitsstreben eines Menschen beseelt, der zum ersten Mal in seinem behüteten Leben eigenes Geld verdiente. Das Angebot seines Vaters hatte er glatt abgelehnt.
    »Nein, es ist kein Notfall, aber ich brauche es jetzt. Ich weiß, dass du es für mich in einen Treuhandfonds gegeben hast. Heißt das nicht so? Treuhandfonds?«
    »Doch.«
    »Dann kann es doch genauso gut auf meinem Bankkonto liegen, stimmt’s?«
    »Aber du verstehst, dass mir das spanisch vorkommt, oder? Jahrelang hast du es kein einziges Mal erwähnt, und jetzt willst du es plötzlich haben?«
    »Ja. Ich verstehe, dass dir das spanisch vorkommt. Das verstehe ich.« Blue Gene betrachtete seine Hände und pulte unter den Fingernägeln Dreck hervor. Doch Henry bohrte weiter.
    »Und?!« Das Wort schoss heraus und traf Blue Gene wie eine Ohrfeige, was ihn bewog, den Kopf zu heben.
    »Es geht um Folgendes: Ich habe da eine alte Freundin, die in der Klemme steckt. Natürlich habe ich nicht vor, ihr das ganze Geld zu geben. Doch in ihrer Lage würde schon ein klein wenig sehr helfen. Und wie gesagt, das Geld steht mir doch sowieso zu, stimmt’s? Jetzt habe ich die Gelegenheit, es für einen guten Zweck zu verwenden.«
    »Wer ist es?«
    »Scheißegal.«
    [373] »Deine Ausdrucksweise lässt zu wünschen übrig.«
    »Ich weiß«, sagte Blue Gene und lachte kurz. Doch Henry meinte es todernst. Ihm war es zuwider, dass einer seiner Familienangehörigen wie ein Hinterwäldler redete. Er wusste, dass Eugene nicht unintelligent war, doch Henry hatte große Mühe, diesen völligen Mangel an Raffinesse nicht mit purer Dummheit gleichzusetzen. Und er wusste, dass Eugene auch anders konnte; er trug seine White-Trash-Neigungen

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