Goebel, Joey
im Krankenhaus verbrachte hatte – die erste als Patient, die zweite als Verwandter eines Patienten – und immer noch seine baumwollenen Pyjamashorts und das alte Yankee- T -Shirt anhatte, die er nachts immer trug. Henry trug – für ihn ganz untypisch – weder Anzug noch Krawatte, und mit seinen dichten, weißen Bartstoppeln sah er wie ein professoraler Hillbilly aus. Elizabeth hatte das Haar so straff nach hinten gebunden wie immer, war aber ausnahmsweise ungeschminkt, so dass sie genauso erschöpft und niedergeschlagen aussah wie die drei Männer, sogar ein wenig verhärmt. Die Augen aller vier waren aufgequollen und grau wie Regentropfen auf Zeitungspapier.
Der Chirurg, den Henry aus Chicago hatte einfliegen lassen, veranschlagte eine Operationsdauer von acht bis zehn Stunden, und wie lange der Eingriff dauern würde, wisse er wirklich erst, wenn sie damit begonnen hätten. Der Familie blieb nichts anderes übrig, als den Tag im Wartezimmer auszusitzen. Zum Hin-und-her-Gehen zu müde, saßen sie meist von morgens bis abends wortlos herum und atmeten die bedeutungsschwere Krankenhausluft.
Gelegentlich eilte ernst und mit wichtiger Miene ein Arzt vorbei, der abgenommene Mundschutz baumelte ihm locker am Ohr. Manchmal drang aus dem Schwesternzimmer ein frecher Spruch oder ein fröhlicher Gluckser herüber, woraufhin alle vier Mapothers böse in diese Richtung schauten.
[660] Wie schon am Vortag und am Halloweenabend versuchten die Mapothers dann und wann, wenn das Schweigen zu bedrückend wurde, ein Gespräch zu führen, scheiterten jedoch jedes Mal. Henry unternahm den ersten ernsthaften Versuch des Tages.
»Falls jemand von euch etwas essen will, nur zu. Ich bleibe hier.«
»Nein, danke«, sagte Elizabeth. John und Blue Gene murmelten das Gleiche.
»Hoffentlich ist es nicht unangebracht, wenn ich darauf hinweise –«, sagte Henry. »Nein, ich finde es nicht unangebracht, weil ich lediglich das Offensichtliche feststelle. Jedenfalls möchte ich darauf hinweisen, dass wir heute Wahltag haben, wobei mir durchaus bewusst ist, dass der Wahltag in diesem Gebäude keinen hohen Stellenwert besitzt, ich hielte es aber für angebracht, zu honorieren –«
»Wenn du rausgehen und Wahlkampf führen willst, meinen Segen hast du«, sagte John.
»Nein. Deswegen habe ich das nicht erwähnt.«
»Es ist jetzt dein Wahlkampf«, sagte John. »Tu, was du nicht lassen kannst.«
»Nein, ich beabsichtige nicht einmal zu wählen, was bei allem, was wir durchgestanden haben, reichlich absurd ist. Doch unter den gegebenen Umständen… Aber, sehe ich tatsächlich aus, als wäre ich in der Stimmung, einen Wahlkampf zu führen?«
»Vielleicht möchte John damit sagen, dass er dich nicht hierhaben möchte«, sagte Elizabeth.
» Nein, das hab ich nicht gesagt«, widersprach John. »Ich meine das, was ich gesagt habe.«
[661] »Willst du mich hier nicht haben, John?«, fragte Henry.
»Er sagte gerade das genaue Gegenteil «, sagte Blue Gene.
»Damit meinte ich nicht nur dich, Henry«, sagte Elizabeth. »Vielleicht will er keinen von uns hierhaben. Wenn du bei Abby sein musst, haben wir Verständnis dafür.«
»Ich wollte mich nur unterhalten«, sagte Henry. »Jetzt bereue ich es.«
»Ich bin genau da, wo ich zurzeit sein will«, sagte John. Er hatte begonnen, an den Fingernägeln herumzupulen. Die Nagelsplitter steckte er sich in die Hosentasche.
»Wir machen alles, was du willst«, sagte Elizabeth.
»Haltet euch doch einfach zurück«, sagte Blue Gene. »Gebt endlich Ruhe. Ihr wisst doch, dass der Doktor gesagt hat, John muss ruhig bleiben. Warum müsst ihr ihn so aufstacheln?«
»Darum wäre es vielleicht am besten, wenn wir ihn in Ruhe ließen«, sagte Henry.
»Na schön«, sagte Elizabeth. »Wir sind still.«
»Wenn er nicht schon einen Nervenzusammenbruch gehabt hätte, würdet ihr dafür sorgen, dass er einen kriegt «, sagte Blue Gene.
»Er hat nicht gesagt, ich müsse ruhig bleiben«, sagte John, »sondern, dass ich mich ausruhen müsse.«
»Dann lasse ich dich ausruhen«, sagte Henry und stand auf. »Ich bin in etwa einer Stunde wieder da.«
»Wo willst du hin?«, fragte Elizabeth.
»Ich gehe wählen. Willst du mich begleiten?«
»Nein.«
»Schön. Soll ich dir etwas besorgen, wenn ich schon mal weg bin?«
[662] »Nein. Lass dir Zeit.« Henry ging. »Mom, wenn du ihn begleiten möchtest – nur zu.«
»Sagst du das, weil du willst, dass ich gehe?«
»Jetzt reicht’s! Ich sage das, weil ich es genauso
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