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Goebel, Joey

Goebel, Joey

Titel: Goebel, Joey Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heartland
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fünfundachtzig auf Metallstühlen sitzenden Wrestlingfans und der sechs Fans von Uncle Sam’s Finger, die sich mit dem Gesicht zur Band im Hintergrund hielten.
    »Hi. Ich bin Jackie, und wir sind Uncle Sam’s Finger aus Bashford. Der erste Song heißt ›Don’t Be A Man‹, weil ich glaube, dass keine anderen drei Wörter mehr Schmerz und Leid bewirkt haben als Sei ein Mann. « Die Sängerin nickte dem schlanken, stoppelhaarigen Schlagzeuger zu, der rasch seine Trommelstöcke gegeneinanderschlug, um den Song zu beginnen.
    So etwas wie sie hatte Blue Gene in Bashford noch nie gesehen oder gehört. Zuallererst war es eine Frau, die einen derartig lauten, wüsten Krach machte, und noch dazu so eine zierliche Person. Klar, er hatte mal eine Kassette von Lita Ford auf dem Flohmarkt gekauft, und er meckerte nicht, wenn sie Janis Joplin im Radio spielten, aber Blue Gene hatte noch nie mit eigenen Augen gesehen, wie ein weibliches Wesen elektrische Gitarre spielte. Die wenigen Musikerinnen, die er je auf der Bühne erlebt hatte, spielten Bass und wirkten wie brustbewehrte Requisiten, die im Hintergrund bei irgendwelchen Kneipenbands mitwirkten, die in Shooter’s Pool Hall spielten. Und er hatte garantiert noch nie eine Band mit einer Front frau und zwei männlichen Backingmusikern gesehen. Er kam zu dem Schluss, dass die Typen in der Band ein echtes Schwuchtelproblem hatten.
    [215] Ihre Gitarre, die etwa so lang wie die Frau groß war, hatte sie mit gelben und roten Überschriften in Großbuchstaben beklebt, die sie aus irgendwelchen Revolverblättern ausgeschnitten hatte. BRITNEYS DROGENALPTRAUM und PARIS HILTON KANN NICHT LESEN brüllte die Gitarre. Blue Gene dachte daran, wie er als kleiner Junge auf Bernice’ Schoß gesessen hatte, während sie ihm aus dem National Enquirer und dem Star vorlas. Bis zum heutigen Tag war er an der Kasse von Wal-Mart manchmal versucht, aus nostalgischen Gründen ein Exemplar zu kaufen.
    Die Sängerin mit ihren zappeligen Beinen legte nun richtig los, ihre bleichen Arme ragten aus einem roten T -Shirt mit der Aufschrift »Je mehr ich über Frauen weiß, desto lieber ist mir mein Pick-up«. Während sie ihre kreischbunte Gitarre mit kreissägeartigen Armbewegungen attackierte, blickten ihre weit aufgerissenen, besessen wirkenden Augen furchtlos ins Publikum. Was Blue Genes Augen betraf, so merkte er, dass er blinzelte.
    Besonders gut sah sie eigentlich nicht aus, so mager und konvulsivisch und mit ihrem elfenhaften Gesicht. Doch irgendetwas an ihr fand Blue Gene anziehend. Vielleicht war es ihre Energie. Der Lärm, den sie und ihre Band produzierten, hatte genug Energie, um jemanden bewusstlos zu schlagen.
    Ihre brünetten Ponyfransen schwangen hin und her wie die Quasten eines Weihnachtsschmucks, während sie in die Saiten schlug und aus dem aufsässigen Mund Texte spie. Blue Genes Blick blieb an ihren hektischen, knochigen Knien hängen, die ihm aus klaffenden Löchern in ihren Jeans wie eine Verheißung entgegenragten.
    [216] Was den Sound ihrer Band betraf, so wusste Blue Gene nicht recht, was er davon halten sollte, außer dass er schnell, aggressiv, nachlässig und sogar ein wenig traurig war. Sie spielte einige der Noten, als würden sie weinen, und die Melodien hatten auch etwas Missmutiges, dennoch klang der aus den Boxen dringende Lärm alles in allem nach Teenagerbesäufnis. Was auch immer es sein mochte, es gehörte nicht ins Zeughaus der Nationalgarde. Die offene Sporthalle hatte eine verwaschene Akustik mit viel Hall, und Blue Gene verstand nur vereinzelte Textfetzen, die die Sängerin mit ihrer nicht sehr lieblichen Stimme von sich gab, wie »Krieg gebiert Krieg gebiert Krieg gebiert Krieg« und »Ich habe noch nie einen lila Berg gesehen. Und du?«. Die letzte Formulierung klang vertraut, doch bevor er überlegen konnte, wo er sie schon mal gehört hatte, brüllte ihm Balsam ins Ohr.
    »Komm schon, Mapother! Lass uns ein paar Scheißstimmen beschaffen.«
    Blue Gene nickte. Als er sich umdrehte, sah er, dass die meisten Zuschauer der Band genervt den Rücken zukehrten. Blue Gene und Balsam näherten sich einem alten Mann im Rollstuhl, merkten aber rasch, dass sie gegen den Lärm der Band nicht ankamen. Balsam fluchte, reichte dem Mann ein Flugblatt und brüllte: »Wählen Sie den!«
    Der Song war nach zwei Minuten vorbei, und sein abruptes Ende traf auf das Schweigen eines reservierten Publikums. Blue Gene hob zum Klatschen die Hände, senkte sie aber wieder, als er sah,

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