Goebel, Joey
für einen Einbrecher. Ich wollte kein Risiko eingehen.«
»Gott sei Dank, dass niemand getötet wurde. Seid ihr beide wohlauf?«
Blue Gene und Henry nuschelten »Ja«.
»Warum bist du so spät noch auf?«, fragte Elizabeth.
[261] »Konnte nicht einschlafen.«
»Wenn ich nicht schlafen kann, lese ich manchmal in der Bibel. Das gibt mir so ein beruhigendes Gefühl. Hast du eine Bibel? Ich bin mir ziemlich sicher, dass ich eine ins Poolhaus gelegt habe.«
»Wo ist der Oxmore Drive?«, platzte Blue Gene heraus.
»Das ist in Aberdeen Acres«, sagte Elizabeth.
»Echt?« Aberdeen Acres war eine der netteren Wohngegenden in Bashford.
»Ja. Warum?«
»Ich habe nur jemanden kennengelernt, der im Oxmore Drive wohnt. Das ist alles.«
»War das eine junge Frau?«, fragte Elizabeth mit hochgezogenen Augenbrauen. Es war kein Geheimnis, dass ihre größte Hoffnung war, Blue Gene würde ein nettes Mädchen kennenlernen und »eine gute Partie machen«.
»Nein. Ganz und gar nicht.«
»Und wenn doch, würdest du es mir nicht verraten, stimmt’s?«
Henry zeigte beim Gähnen die Zähne. »Da wir drei gerade hier sind, Eugene«, sagte er. »Wir haben wahrhaftig nichts dagegen, dass du wieder bei uns wohnst, aber würde es dir etwas ausmachen, dich in unserer Gegenwart etwas schicklicher anzuziehen?«
»Was redest du da?«
»Sieh dich doch an.« Henry wies auf Blue Genes nackten Oberkörper. Blue Gene trug nur eine graue Baumwollshorts und seine Goldkette mit Kruzifix.
»Ich leide an innerer Hitze.«
»Manchmal kommen unerwartet Freunde vorbei«, sagte [262] Elizabeth, »oder auch Leute von Henrys Arbeit. Es macht einfach einen schlechten Eindruck.«
Blue Gene seufzte und knurrte fast: »Na schön. Dann werd ich mich halt im Poolhaus einschließen, mich nackt ausziehen und heftig mit den Eiern wackeln.«
»Iiih«, machte Elizabeth und verzog das Gesicht.
»Spiel dich nicht so auf«, sagte Henry. »Wir bitten dich nur, wenigstens ein Hemd anzuziehen.«
»Ich finde, alle anderen sollten ihre Hemden aus ziehen. Wie wär’s damit?«
Jetzt stieß Henry einen Seufzer aus. »Ich geh zu Bett.« Er nahm seinen Revolver und stand auf.
»Keine Bange. Bald hab ich Geld genug, um wieder allein zu leben. Ihr müsst mich nicht mehr lange ertragen.«
Henry lachte. »Du redest, als wärst du ein Landstreicher. Dabei hast du genug Geld, um dir ein ganzes Wohnviertel zu bauen.«
»Aha. Willst du damit sagen, ich soll etwas von dem Geld nehmen, um möglichst schnell zu verschwinden?«
»Nein, nein. Du willst mich missverstehen. Ich sage nur, wenn du Geld brauchst, hast du es.«
»Ich hab’s nicht selbst verdient. Ich will’s nicht haben.«
»Wie du meinst.« Henry sprach im Gehen über die Schulter. »Du darfst hier so lange bleiben, wie du willst, aber halte dich bitte an die Regeln, die in meinem Haus gelten. Zieh dir ein Hemd über, ehe du herkommst. Ich gehe wieder ins Bett, Elizabeth. Hol dir deine Milch einfach selbst.«
»In Ordnung«, sagte Elizabeth. »Ich komme gleich nach.« Henry ging. »Gene, ich wollte dir etwas sagen.« Nun setzte sich Elizabeth an den Schreibtisch. Sie schlang ihre Arme [263] um sich, als sei ihr kalt. »Wir sind aufgestanden, weil ich wieder meinen Traum hatte.«
»So oft, wie er im Fitnessraum ist, sollte man meinen, dass er gern sein Hemd ausziehen würde«, sagte Blue Gene.
»Vergiss das mal einen Moment. Hör mir zu. Es ist wichtig. Ich hatte die letzten fünf Nächte einen wiederkehrenden Traum. Denselben Traum wie vor vielen Jahren schon einmal. Nur dass ich dieses Mal danach nicht glücklich, sondern eher entsetzt war.« Elizabeth legte den Kopf in den Nacken und schloss die Augen. »Oh, himmlischer Vater, schenk mir Kraft. O Herr, mach, dass dies der richtige Weg ist.«
»Ich fand schon immer, dass der Traum echt gespenstisch klang.«
»Ich weiß, dass diese Vision beunruhigend war, doch früher hat sie bei mir immer ein Gefühl von Glückseligkeit ausgelöst. Heute Nacht hat der Herr wieder zu mir gesprochen, doch es war, als wolle er mir eine Art Warnung zukommen lassen.« Wieder schloss sie die Augen. »O Herr, lass mich erkennen, was dieses neue Gefühl für uns bedeutet.« Sie betete inbrünstig.
»Bestimmt ist es wegen des Wahlkampfs. Ich hab gelesen, dass Nervosität und Stress zu Alpträumen führen können«, versuchte Blue Gene sie zu beruhigen. Dabei hatte Elizabeth im Wahlkampf bisher eine stressfreie Rolle gespielt. Als sie sich bei Henry erkundigt hatte, wie sie
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