Gödel, Escher, Bach - ein Endloses Geflochtenes Band
John Cage von anderen Zivilisationen verstanden werden wird, ist wie die, daß unsere Lieblingsmelodie in einer Musikbox auf dem Mars die gleichen Code-Knöpfe haben wird wie in den Bars von Sansibar.
Um andererseits Bach zu würdigen, bedarf es weit geringeren kulturellen Wissens. Das mutet wie vollendete Ironie an, denn Bach ist viel komplexer und feiner durchorganisiert, und Cage entbehrt so jeglicher Intellektualität. Doch liegt hier eine merkwürdige Umkehrung vor: Intelligenz liebt Muster und scheut vor dem Zufälligen zurück. Für die meisten Menschen erfordert die Zufälligkeit in Cages Musik umständliche Erklärungen, und selbst dann haben sie das Gefühl, die Botschaft verpaßt zu haben, während bei einem großen Teil von Bachs Werken Worte überflüssig sind. In diesem Sinn ruht Bachs Musik mehr in sich als die von Cage. Doch ist immer noch unklar, wieviel Kenntnis der menschlichen Befindlichkeit von Bach vorausgesetzt wird.
Zum Beispiel hat die Musik drei strukturelle Hauptdimensionen (Melodie, Harmonie, Rhythmus), die alle in kleine, mittlere und umgreifende Aspekte eingeteilt werden können. Nun gibt es in jeder dieser Dimensionen einen gewissen Grad von Komplexität, die unser Geist bewältigen kann, bis es ihm zuviel wird; natürlich stellt ein Komponist das beim Komponieren eines Stücks zum großen Teil unbewußt in Rechnung. Die „Ebenen statthafter Komplexität“ in verschiedenen Dimensionen hängen vermutlich eng mit den besonderen Umständen unserer Evolution als Spezies zusammen, und eine andere intelligente Spezies hätte eine Musik mit ganz anderen statthaften Komplexitätsebenen in diesen vielen Dimensionen entwickelt. So könnte man sich vorstellen, daß ein Stück von Bach von umfangreicher Information über die Spezies Mensch begleitet sein müßte, die ganz einfach nicht aus der Struktur der Musik allein erschlossen werden könnte. Wenn wir Bachs Musik einem Genotyp gleichsetzen, und die Gefühle, die sie hervorrufen soll, dem Phänotyp, interessiert uns die Frage, ob der Genotyp all die Information enthält, die für die Enthüllung des Phänotyps nötig ist.
Wie universell ist die Botschaft der DNS?
Die allgemeine Frage, der wir uns gegenüber sehen, und die der sich aus den beiden Tafeln ergebenden sehr ähnlich ist, lautet: „Wieviel von dem Kontext, der zu ihrem
Abb. 41 . Dieser Trickreiche Gigantische Aperiodische Cristall ist die Basen-Anordnung für das Chromosom des Bakteriophagen Φ X174. Es ist das erste vollständige Genom, das jemals für einen Organismus erstellt wurde. Etwa 2000 solche boustrophedontschen Blätter wären nötig, um die Basen-Sequenz einer einzigen E. Coli-Zelle niederzuschreiben, und etwa eine Million Seiten, um die DNS-Folge einer einzigen menschlichen Zelle wiederzugeben. Das Buch, das Sie jetzt in Ihren Händen halten, enthält ungefähr die gleiche Informationsmenge wie die molekulare Blaupause für eine lumpige E. Coli-Zelle.
Verständnis nötig ist, kann die Botschaft wiederherstellen?“ Wir können nun auf die ursprüngliche biologische Bedeutung von „Genotyp“ und „Phänotyp“ — DNS und ein lebender Organismus — zurückkommen und ähnliche Fragen stellen. Besitzt die DNS die Kraft, als universeller Auslöser zu wirken? Oder braucht sie eine „Biomusikbox“, um ihre Bedeutung zu enthüllen? Kann die DNS einen Phänotyp hervorrufen, ohne in den richtigen chemischen Kontext eingebettet zu sein? Die Antwort auf diese Frage lautet nein — aber ein Nein mit Einschränkungen. Gewiß wird ein DNS-Molekül in einem Vakuum gar nichts bewirken. Wenn aber ein DNS-Molekül ausgeschickt wird,um sein Glück im Weltall zu suchen, so wie wir uns vorstellten, daß der BACH und der CAGE ausgeschickt wurden, könnte es von einer intelligenten Zivilisation aufgefangen werden. Sie würde zuerst vielleicht einmal die Rahmenbotschaft erkennen. Wenn sie gefunden ist, könnte sie zu dem Versuch schreiten, von seiner chemischen Struktur abzuleiten, was für eine Art von chemischer Umgebung es wohl braucht, und dann eine solche Umgebung herzustellen. Immer raffiniertere Versuche dieser Art könnten schließlich zu einer umfassenden Wiederherstellung des für die Enthüllung des Phänotyps nötigen chemischen Kontextes führen. Das leuchtet vielleicht nicht unmittelbar ein, wenn man aber für dieses Experiment Jahrmillionen zur Verfügung hätte, würde sich vielleicht die Bedeutung der DNS schließlich zu erkennen geben.
Wenn andererseits die Folge
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