Gödel, Escher, Bach - ein Endloses Geflochtenes Band
2.
Der letzte Satz kommt dem Leser vielleicht etwas verzwickt vor. Das ist aber noch gar nichts verglichen mit:
b ist eine Potenz von 10.
Seltsamerweise erfordert die Übersetzung dieser Aussage großes Geschick. Ich warne den Leser: Er sollte es nur versuchen, wenn er bereit ist, Stunden und Stunden darauf zu verwenden — und wenn er sich in der Zahlentheorie sehr gut auskennt!
Ein nicht-typographisches System
Damit sind wir am Ende unserer Darstellung der TNT-Notation angekommen; es bleibt aber immer noch das Problem, TNT zu dem anspruchsvollen System zu machen, das wir beschrieben haben. Wären wir darin erfolgreich, so würde das die den verschiedenen Symbolen gegebenen Interpretationen rechtfertigen. Bis wir das getan haben, sind jedoch diese einzelnen Interpretationen nicht besser gerechtfertigt, als es die „Pferd-Apfel-glücklich“-Interpretationen für das pg-System waren.
Nun könnte jemand die folgende Konstruktionsmethode für TNT vorschlagen: 1) Man braucht keine Schlußregeln; sie sind unnötig, weil wir 2) alle Axiome als wahre zahlentheoretische Aussagen (in der TNT-Notation) auffassen. Was für eine einfache Vorschrift! Leider ist sie so sinnleer, wie unsere spontane Reaktion uns sagt. Teil 2 ist natürlich keine typographische Beschreibung von Ketten. Der ganze Zweck von TNT ist ja der, herauszufinden, ob und wie es möglich ist, die wahren Ketten typographisch zu charakterisieren.
Die fünf Axiome und erste TNT-Regeln
Wir werden somit einen schwierigeren Weg einschlagen als den eben ins Auge gefaßten. Wie versprochen, werden alle Regeln der Aussagenlogik in TNT übernommen. Deshalb wird ein S ATZ von TNT lauten:
< S0 = 0 ∨~ S0 = 0 >
Dieser kann auf gleiche Weise abgeleitet werden, wie < P ∨~ P > abgeleitet wurde. Bevor wir weitere Regeln angeben, hier zunächst einmal die fünf Axiome von TNT:
A XIOM 1: ∀a :~ Sa = 0
A XIOM 2: ∀a :( a+0 )= a
A XIOM 3: ∀a : ∀b :( a+Sb )= S ( a+b )
A XIOM 4: ∀a :( a·0 )= 0
A XIOM 5: ∀a : ∀b :( a·Sb )=(( a · b )+ a )
(In der strengeren Version verwendet man a ' statt b .) Sie sind alle sehr leicht zu verstehen. Axiom 1 stellt eine besondere, die Zahl Null betreffende Tatsache fest. Axiome 2 und 3 betreffen die Addition, Axiome 4 und 5 die Multiplikation, und insbesondere ihren Zusammenhang mit der Addition.
Die fünf Peano-Postulate
Übrigens ist Axiom 1, wenn interpretiert — „Null ist nicht der Sukzessor irgendeiner natürlichen Zahl“ — eine der berühmten fünf Eigenschaften natürlicher Zahlen, die der Logiker und Mathematiker Giuseppe Peano im Jahr 1889 als erster ausdrücklich formuliert hat. Indem er seine Postulate darlegte, folgte Peano den Spuren des Euklid,und das auf folgende Weise: Er versuchte nicht, die Grundsätze folgerichtigen Denkens zu formulieren, sondern eine kleine Anzahl von Eigenschaften der natürlichen Zahlen anzugeben, aus der alle anderen durch folgerichtiges Denken abgeleitet werden könnten. Peanos Versuch läßt sich somit als „halb-formal“ bezeichnen. Peanos Werk übte einen bedeutenden Einfluß aus, und es dürfte nützlich sein, seine fünf Postulate vorzustellen. Da der Begriff der „natürlichen Zahl“ derjenige ist, den Peano zu definieren sucht, werden wir den geläufigen Ausdruck „natürliche Zahl“ nicht verwenden, da er mit Gedankenassoziationen vorbelastet ist. Wir ersetzen ihn durch den undefinierten Ausdruck Schinn, ein Wort ohne Nebenbedeutungen, das uns ganz zwanglos einfällt. Dann erlegen Peanos fünf Postulate den Schinns Einschränkungen auf. Es gibt noch zwei weitere undefinierte Ausdrücke: Geist und Meta. Ich überlasse es dem Leser, herauszufinden, welche geläufigen Begriffe diese beiden darstellen sollen. Die fünf Postulate Peanos lauten:
1)
Geist ist ein Schinn.
2)
Jeder Schinn hat ein Meta (das seinerseits ein Schinn ist).
3)
Geist ist nicht das Meta irgendeines Schinns.
4)
Verschiedene Schinns haben verschiedene Metas.
5)
Wenn Geist die Eigenschaft x hat, und jeder Schinn x an sein Meta weitergibt, dann haben alle Schinns die Eigenschaft x .
Im Lichte der Lampen des Kleinen harmonischen Labyrinths sollten wir die Menge aller Schinns „ZEUS“ nennen. Das erinnert an einen berühmten Ausspruch des deutschen Mathematikers und Logikers Leopold Kronecker, des Erzfeindes von Georg Cantor: „Die natürlichen Zahlen hat der liebe Gott gemacht, alles andere ist Menschenwerk.“
Der Leser erkennt vielleicht in Peanos fünftem Postulat das Prinzip der
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