Gödel, Escher, Bach - ein Endloses Geflochtenes Band
sich sogar auf eine gewisse Weise aneinander binden. Unter den richtigen Bedingungen werden alle diese stromführenden Polaronen sich paarweise verbinden und sogenannte Cooper-Paare bilden. Ironischerweise entsteht diese Paarung genau deswegen, weil Elektronen — die nackten Kerne der gepaarten Polarone — sich gegenseitig elektrisch abstoßen. Im Gegensatz zu den Elektronen fühlt sich jedes Cooper-Paar von einem anderen Cooper-Paar weder abgestoßen noch angezogen, und infolgedessen kann es auch ungehindert durch ein Metall fließen, als wäre dieses ein Vakuum. Wenn man die mathematische Beschreibung eines solchen Metalls von einer, deren Grundeinheiten Polaronen sind, in eine umwandelt, deren Grundeinheiten Cooper-Paare sind, erhält man einen wesentlich vereinfachten Satz von Gleichungen. Diese mathematische Einfachheit sagt dem Physiker, daß „Ballen“ in Cooper-Paaren die natürliche Art und Weise ist, die Supraleitfähigkeit zu betrachten.
Hier haben wir verschiedene Stufen von Teilchen: das Cooper-Paar selbst, die zwei in entgegengesetztem Sinn rotierenden Polaronen, aus denen es sich zusammensetzt, die Elektronen und Phononen, die Polarone bilden, und dann innerhalb der Elektronen die virtuellen Photonen und Positronen usw. usw. Wir können auf jede Stufe blicken und dort Phänomene wahrnehmen, die ihre Erklärung im Verständnis der darunterliegenden Stufen finden.
„Versiegeln“
In ähnlicher Weise, und glücklicherweise, braucht man nicht alles über Quarks zu wissen, um vieles von den Teilchen zu verstehen, die sie bilden können. So kann also ein Kernphysiker mit Theorien über die Kerne weiterarbeiten, die auf Protonen und Neutronen beruhen, und Quark-Theorien und ihre Rivalen ignorieren. Der Kernphysiker hat eine geballte Vorstellung von Protonen und Neutronen — eine Beschreibung, die sich von Theorien auf tieferer Stufe ableitet, aber das Verständnis von Theorien auf tieferer Stufe nicht voraussetzt. Genauso hat ein Atomphysiker eine geballte Vorstellung von Atomkernen, die sich aus der Nukleartheorie ableitet. Ein Chemiker sodann hat eine geballte Vorstellungvon Elektronen und ihren Umlaufbahnen und konstruiert Theorien über kleine Moleküle, Theorien, die in ihrer geballten Fassung der Molekularbiologe übernehmen kann, der eine intuitive Vorstellung davon hat, wie kleine Moleküle zusammenhängen, dessen Spezialwissen aber das Gebiet extrem großer Moleküle und ihrer Wechselwirkung umfaßt. Der Zellbiologe hat eine geballte Vorstellung von den Gebilden, über die der Molekularbiologe nachdenkt, und versucht, sie zur Erklärung der Wechselwirkung von Zellen zu verwenden. Das Prinzip ist klar. Jede Stufe ist in einem gewissen Sinn gegen die darunterliegenden „versiegelt“. Dies ist wieder einer von Simons anschaulichen Ausdrücken. Er erinnert an die Konstruktion eines Unterseeboots aus einzelnen Kammern: Wenn ein Teil beschädigt ist und Wasser eindringt, kann so eine Ausbreitung des Schadens verhindert werden. Man „versiegelt“ die Schotten und damit die beschädigte Kammer gegen die anstoßenden.
Obgleich zwischen den hierarchischen Stufen der Wissenschaft immer etwas „durchsickert“, ein gewisser Austausch besteht, so daß ein Chemiker es sich nicht leisten kann, die Physik niedrigerer Stufe, oder ein Biologe, die Chemie völlig unbeachtet zu lassen, gibt es von einer Stufe zu einer weiter entfernten so gut wie keinen Austausch. Das ist der Grund, warum man andere Menschen intuitiv verstehen kann, ohne notwendigerweise das Quarkmodell, den Aufbau des Atomkerns, das Wesen elektronischer Umlaufbahnen, die chemische Bindung, den Aufbau der Proteine, die Organellen in einer Zelle, die Methoden interzellulärer Kommunkation, die Physiologie der verschiedenen Organe im menschlichen Körper oder die komplexe Wechselwirkung zwischen den Organen zu kennen. Alles, was man benötigt, ist ein geballtes Modell dessen, was auf der höchsten Stufe geschieht, und wie wir alle wissen, sind solche Modelle sehr wirklichkeitsgetreu und erfolgreich.
Zwischen Ballungen und Determinismus wählen
Ein geballtes Modell hat jedoch vielleicht eine bedeutsame negative Eigenschaft: Ihm fehlt Fähigkeit, genaue Voraussagen zu machen. Das heißt, wir ersparen uns durch den Gebrauch geballter Modelle die unmögliche Aufgabe, Menschen als eine Ansammlung von Quarks (oder was immer die unterste Stufe sein mag) aufzufassen; aber solche Modelle liefern uns natürlich nur Vermutungen darüber, wie andere
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