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Gödel, Escher, Bach - ein Endloses Geflochtenes Band

Gödel, Escher, Bach - ein Endloses Geflochtenes Band

Titel: Gödel, Escher, Bach - ein Endloses Geflochtenes Band Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Douglas R. Hofstadter
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kann, kann es sich, wenn erwacht, auf viele verschiedene Arten verhalten. Das legt nahe, ein Symbol nicht als eine feststehende, sondern als eine variable Einheit zu betrachten. Deshalb würde es nicht genügen, einen Gehirnzustand dadurch zu beschreiben, daß man sagt: „Die Symbole A, B, ..., N sind alle aktiv"; vielmehr müßten wir zusätzlich für jedes aktive Symbol eine Anzahl von Parametern liefern, die einige Aspekte des inneren Funktionierens kennzeichnet. Es ist eine interessante Frage, ob sich in jedem Symbol gewisse Stammneuronen befinden, die sich unfehlbar erregen, wenn das Symbol aktiviert worden ist. Wenn solch ein „Stamm“ existiert, können wir ihn den„invariablen Stamm“ des Symbols nennen. Es ist verlockend anzunehmen, daß jedes Mal , wenn man, sagen wir, an einen Wasserfall denkt, ein feststehender neuraler Ablauf sich wiederholt, ohne Zweifel in verschiedener Weise, je nach Kontext ausgeschmückt, aber mit Sicherheit stattfindend. Es ist jedoch nicht klar, ob das so sein muß.
    Was tut nun ein Symbol, wenn es „erwacht“ ist. Eine Beschreibung niedriger Stufe würde lauten: „Viele seiner Neuronen erregen sich“. Das interessiert uns aber nicht mehr. Die Beschreibung höherer Stufe sollte jede Erwähnung von Neuronen ausmerzen und sich ausschließlich auf Symbole konzentrieren. So wäre eine Beschreibung hoher Stufe dessen, was ein Symbol aktiv macht — im Unterschied von ruhenden: „Es sendet Botschaften oder Signale, die den Zweck haben, andere Symbole wach zu machen oder deren Aktivität auszulösen.“ Natürlich würden diese Botschaften als Ströme von Nervenimpulsen von Neuronen getragen — aber insofern wir eine solche Ausdrucksweise vermeiden können, sollten wir es tun, weil es eine Betrachtungsweise niedrigerer Stufe darstellt, und wir doch hoffen, daß wir gänzlich auf der höheren Stufe verbleiben können. Mit anderen Worten: wir hoffen, daß man sich seine Denkprozesse gegen neurale Ereignisse versiegelt vorstellen kann, so wie das Verhalten einer Uhr gegen die Gesetze der Quantenmechanik versiegelt ist oder die Zellbiologie gegen die Gesetze der Quarks.
    Was aber ist der Vorteil dieser Anschauung höherer Stufe? Warum ist es besser zu sagen, die „Symbole A und B lösten Symbol C aus“, als „die Neuronen 183 bis einschließlich 612 brachten Neuron 75 dazu, sich zu erregen“? Diese Frage wurde in der ... emsigen Fuge beantwortet: Es ist besser, weil Symbole eben Dinge symbolisieren, Neuronen aber nicht. Symbole sind die Hardware-Realisierungen von Vorstellungen. Während eine Gruppe von Neuronen, die ein anderes Neuron auslöst, mit keinen Geschehnissen der Außenwelt korrespondiert, hat die Auslösung eines Symbols durch andere Symbole eine Beziehung zu den Geschehnissen in der Außenwelt — oder in einer imaginären Welt. Symbole stehen miteinander durch die Botschaft in Verbindung, die sie hin und her schicken können — und zwar so, daß ihre Auslösemuster den großmaßstäblichen Ereignissen sehr ähnlich sind, die in der Welt oder in einer der unseren ähnlichen Welt geschehen. Im wesentlichen ergibt sich Bedeutung aus dem gleichen Grund wie im pg-System — Isomorphie. Nur ist die Isomorphie hier unendlich komplexer, subtiler, heikler, vielseitiger und intensionaler.
    Übrigens genügt wahrscheinlich die Voraussetzung, daß Symbole komplizierte Botschaften hin und her befördern können, um auszuschließen, daß Neuronen selbst die Rolle von Symbolen übernehmen. Da ein Neuron nur eine einzige Möglichkeit hat, Information aus sich heraus zu senden, und keine Möglichkeit, ein Signal selektiv bald in diese, bald in jene Richtung zu leiten, besitzt es ganz einfach nicht die Fähigkeit, andere Neuronen selektiv auszulösen, wie sie ein Symbol haben muß, um sich wie ein Gegenstand der wirklichen Welt zu verhalten. In seinem Buch The lnsect Societies macht E. O. Wilson eine ähnliche Feststellung darüber, wie die Botschaften sich innerhalb von Ameisenkolonien verbreiten:
    [Massenkommunikation] ist definiert als die Übertragung, zwischen Gruppen, von Information, die ein einzelnes Individuum nicht an ein anderes weitergeben könnte. 3
    Gar kein so schlechtes Bild, das Gehirn als Ameisenkolonie!
    Die nächste Frage, und zwar eine außerordentlich wichtige, betrifft das Wesen und den „Umfang“ der Vorstellungen, die im Gehirn durch einzelne Symbole repräsentiert werden. Was das Wesen der Symbole betrifft, stellen sich Fragen wie: Gibt es ein Symbol

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