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Gödel, Escher, Bach - ein Endloses Geflochtenes Band

Gödel, Escher, Bach - ein Endloses Geflochtenes Band

Titel: Gödel, Escher, Bach - ein Endloses Geflochtenes Band Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Douglas R. Hofstadter
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denen dieser ganze Reichtum entspringt, wurzeln tief in der Wirklichkeit.
    Gemeinhin spielen Symbole Rollen, die Ereignissen isomorph sind, welche so aussehen, als könnten sie eintreten; dennoch werden manchmal Symbole aktiviert, die Situationen repräsentieren, die nicht eintreten können: zum Beispiel kochende Uhren, eierlegende Posaunen, usw. Die Trennungslinie zwischen dem, was geschehen, und dem, was nicht geschehen könnte, ist äußerst verschwommen. Wenn wir uns ein hypothetisches Ereignis vorstellen, versetzen wir gewisse Symbole in einen Zustand der Aktivierung; je nachdem wie gut sie interagieren (was sich vermutlich in der Zuversicht ausdrückt, mit der wir den Gedankengang fortsetzen) sagen wir, daß das Ereignis sich zutragen „könnte“ oder „nicht könnte“. Die Ausdrücke „können“ und „nicht können“ sind eben äußerst subjektiv. Doch in Wirklichkeit stimmen die Menschen darüber, was geschehen könnte und was nicht, weitgehend überein. Das spiegelt die große Anzahl von geistigen Strukturen wider, an denen wir alle teilhaben aber es gibt auch einen Grenzbereich, wo der subjektive Aspekt bei der Wahl der hypothetischen Welten, die wir hegen wollen, offenbar wird. Eine sorgfältige Studie der Arten von imaginären Ereignissen, von denen man glaubt, daß sie eintreten könnten oder auch nicht, trüge viel zum Verständnis der Auslösungsmuster der Symbole bei, vermittels derer Menschen denken.
Intuitive physikalische Gesetze
    Wenn die Geschichte vollständig erzählt ist, besitzt man ein recht ausführliches geistiges Modell einer Szene, und in diesem Modell gehorchen alle Objekte den physikalischen Gesetzen. Das bedeutet, daß die physikalischen Gesetze selbst in den Auslösungsmustern der Symbole implizit vorhanden sein müssen. Selbstverständlich bedeutet „physikalische Gesetze“ hier nicht „die Gesetze der Physik, wie sie von einem Physiker verkündet werden“, sondern vielmehr die intuitiven, „geballten“ Gesetze, die wir alle in unserem Geist haben müssen, wenn wir überleben wollen.
    Ein kurioser Nebeneffekt ist der, daß man sich nach Belieben Sequenzen von Ereignissen ausdenken kann, die den physikalischen Gesetzen zuwiderlaufen. Wenn ich Ihnen zum Beispiel nun vorschlage, Sie sollten sich eine Szene vorstellen, in der sich zwei Automobile frontal näherkommen und dann durcheinander hindurch fahren, haben Sie keinerlei Schwierigkeiten, es zu tun. Die intuitiv erfaßbaren physikalischen Gesetze können durch imaginäre physikalische Gesetze überschrieben werden; aber wie das geschieht, wie solche Bildfolgen erzeugt werden können, ja was eine bildliche Vorstellung ist — das sind tief verhüllte Geheimnisse, unzugängliche Wissensbereiche.
    Es braucht nicht gesagt zu werden, daß wir in unserem Gehirn „geballte“ Gesetze nicht nur darüber haben, wie unbelebte Objekte handeln, sondern auch wie Pflanzen, Tiere, Menschen und Gesellschaften handeln — mit andern Worten: „geballte“ Gesetze der Biologie, Psychologie, Soziologie, usw. Alle internen Repräsentationen solcher Gebilde haben die unvermeidliche Eigenschaft geballter Modelle: Determinismus wird der Einfachheit geopfert. Unsere Repräsentation der Wirklichkeit kann letzten Endes nur die Wahrscheinlichkeit, in bestimmten Bereichen abstrakter Verhaltensräume zu landen, voraussagen — aber sie kann nichts mit der Genauigkeit der Physik voraussagen.
Prozedurales und deklaratives Wissen
    Bei der Beschäftigung mit Artifizieller Intelligenz unterscheidet man zwischen prozeduraler und deklarativer Art von Wissen. Ein Stück Wissen nennt man deklarativ, wenn es explizit gespeichert ist, so daß nicht nur der Programmierer, sondern auch das Programm es „lesen“ kann, als stünde es in einem Lexikon oder Almanach. Das bedeutet üblicherweise, daß es an einem bestimmten Ort codiert und nicht verstreut ist. Dagegen ist prozedurales Wissen nicht als Tatsache codiert, sondern nur als Programm. Ein Programmierer kann einen Blick hineinwerfen und sagen: „Ich sehe, daß wegen dieser Prozedur das Programm ‚weiß', wie man deutsche Sätze schreibt“, aber das Programm selber kann kein explizites Bewußtsein haben, wie es diese deutschen Sätze schreibt. Zum Beispiel ist es möglich, daß sein Wortschatz keines der Wörter „deutsch“, „Satz“ und „schreiben“ umfaßt! So ist also das prozedurale Wissen üblicherweise in Stücken verstreut und man kann es nicht abrufen oder sich darauf beziehen. Es ist

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