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Gödel, Escher, Bach - ein Endloses Geflochtenes Band

Gödel, Escher, Bach - ein Endloses Geflochtenes Band

Titel: Gödel, Escher, Bach - ein Endloses Geflochtenes Band Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Douglas R. Hofstadter
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sechsten Sinn für dergleichen Dinge.
    Krebs: Nun, wie ich eben sagen wollte: Najunamar bewies auch in seinem Brief, daß jede gerade Primzahl die Summe von zwei ungeraden Zahlen ist und daß es für die Gleichung
    a n + b n = c n mit n=0
    keine Lösung in ganzen positiven Zahlen gibt.
    Achilles: Was! All diese alten klassischen mathematischen Probleme mit einem Streich erledigt? Das muß ja ein Genie ersten Ranges sein!
    Schildkröte: Aber Achilles! So völlig unskeptisch?
    Achilles: Was? Ach so, ja. Skeptisch. Natürlich bin ich das. Sie meinen doch nicht etwa, daß ich glaube, daß Herr Krebs einen solchen Brief erhalten hat? Ich falle nicht auf alles rein, wissen Sie. So müssen S IE es gewesen sein, Herr Schildkröte, der den Brief empfangen hat!
    Schildkröte: Oh nein, Achilles. Daß Herr K. den Brief erhalten hat, das stimmt so. Was ich aber eigentlich gemeint habe: Sind Sie nicht skeptisch, was den Inhalt betrifft — seine übertriebenen Behauptungen?
    Achilles: Warum sollte ich? Hmm ... Aber natürlich bin ich es. Ich bin ein sehr skeptischer Mensch, wie Sie beide nachgerade wissen sollten. Ich bin sehr schwer von etwas zu überzeugen, so falsch oder richtig es auch sein mag.
    Schildkröte: Sehr gut gesprochen, Achilles! Sie wissen sicher genauestens über Ihre eigenen Denkvorgänge Bescheid.
    Achilles: Ist Ihnen jemals in den Sinn gekommen, meine Freunde, daß diese Behauptungen Najunamars unrichtig sein könnten?
    Krebs: Ehrlich, Achilles, ich bin ja selber eher konservativ und orthodox. Ich warüber diesen Punkt etwas beunruhigt, als ich den Brief las. Ja, eigentlich hatte ich zunächst den Verdacht, daß es sich hier schlicht und einfach um Betrug handle. Dann aber fiel mir ein, daß nicht viele Menschen so merkwürdige und komplexe Ergebnisse einfach aus ihrer Phantasie heraus erzeugen könnten. Eigentlich lief es auf die Frage hinaus: „Was ist wahrscheinlicher, ein Scharlatan von außerordentlicher Gescheitheit, oder ein wirklich genialer Mathematiker?“ Und ich kam bald darauf, daß die erste Möglichkeit die wahrscheinlichere war.
    Achilles: Sind Sie denn keiner dieser erstaunlichen Behauptungen nachgegangen?
    Krebs: Warum denn? Das Wahrscheinlichkeitsargument war das überzeugungskräftigste, das ich jemals gesehen hatte: Kein mathematischer Beweis wäre ihm gleichgekommen. Aber Herr Schildkröte bestand auf Strenge. Schließlich gab ich nach und prüfte alle Ergebnisse von Najunamar. Zu meiner Überraschung stimmte jedes einzelne. Wie er sie entdeckte, werde ich aber nie erfahren. Er muß einen erstaunlichen orientalischen Scharfblick gehabt haben, von dem wir hier im Abendland uns keine Vorstellung machen können. Im Augenblick ist dies die einzige Theorie, die mir sinnvoll erscheint.
    Schildkröte: Herr Krebs ist für mystische und phantastische Erklärungen immer anfälliger gewesen, als ich es bin. Ich glaube steif und fest, daß alles, was Najunamar auf seine Weise getan hat, eine vollständige Entsprechung innerhalb der orthodoxen Mathematik aufweist. Meiner Ansicht nach gibt es keine Form der mathematischen Arbeit, die von der uns geläufigen grundsätzlich abweicht.
    Achilles: Eine interessante Ansicht. Wahrscheinlich hat das etwas mit der Church-Turing-These und verwandten Themen zu tun.
    Krebs: Nun, lassen wir an einem so schönen Tag wie heute diese technischen Dinge auf sich beruhen und genießen die Ruhe des Waldes, das Vogelgezwitscher und das Spiel des Sonnenlichts auf den jungen Blättern und Knospen. Ho!
    Schildkröte: Ganz meine Meinung. Schließlich haben schon alle, alle Generationen von Schildkröten in solchen Naturschönheiten geschwelgt.
    Krebs: Und alle Generationen von Krebsen ebenfalls.
    Achilles: Sie haben nicht zufällig ihre Flöte mitgebracht, Herr Krebs?
    Krebs: Aber gewiß doch. Ich nehme sie überallhin mit. Würden Sie gerne ein paar Melodien hören?
    Achilles: Das wäre wunderschön in dieser ländlichen Umgebung. Spielen Sie aus dem Gedächtnis?
    Krebs: Leider übersteigt das meine Kräfte. Ich muß meine Musik vom Blatt spielen. Das ist aber kein Problem. Ich habe einige sehr hübsche Stücke hier in meiner Mappe.
    (Er öffnet seine dünne Mappe und entnimmt ihr einige Blätter. Das kürzeste trägt das Symbol
    ∀a :~ Sa = 0
    Er steckt das oberste Blatt in einen kleinen, an der Röte festgemachten Halter und spielt die Melodie. Sie ist sehr kurz.)
    Achilles: Das war reizend. (Er schielt nach dem Blatt auf der Flöte, und sein Gesicht nimmt einen fragenden

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