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Gödel, Escher, Bach - ein Endloses Geflochtenes Band

Gödel, Escher, Bach - ein Endloses Geflochtenes Band

Titel: Gödel, Escher, Bach - ein Endloses Geflochtenes Band Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Douglas R. Hofstadter
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„vorausschauloses Schach“ vermutlich ein fruchtbares Forschungsvorhaben. Besonders interessant wäre es, ein Programm zu entwerfen, das das durch Vorausschau gewonnene Wissen selbst in „flachgedrückte“ Regeln übersetzen könnte — aber das ist eine ungeheure Aufgabe.
Samuels Dame-Programm
    Tatsächlich hat Arthur Samuel in seinem bewundernswerten Damespiel-Programm eine solche Methode entwickelt. Samuels Trick bestand darin, daß er bei der Bewertung einer Stellung sowohl dynamische (vorausschauende) als auch statische (nicht vorausschauende) Methoden anwandte. Für die statische Methode benötigte man nur eine einfache mathematische Funktion verschiedener Größen, um eine Spielsituation zu charakterisieren, und sie konnte praktisch auf der Stelle berechnet werden, während die dynamische Beurteilung einen „Baum“ von möglichen zukünftigen Zügen involviert, samt Antworten darauf, Antworten wiederum auf diese usw. ( Abb. 38 ). Bei der statischen Bewertungsfunktion gab es gewisse Parameter, die veränderlich waren; wenn man sie variierte, erhielt man einen Satz von verschiedenen möglichen Versionen der statischen Bewertungsfunktion. Samuels Strategie bestand darin, auf dem Weg der Evolution immer bessere Werte für die Parameter auszuwählen.
    Das geschah auf folgende Weise: Jedesmal wenn das Programm eine Stellung auf dem Brett beurteilte, tat es das sowohl statisch als auch dynamisch. Die durch Vorausschau erhaltene Antwort — nennen wir sie D — wurde verwendet, um den auszuführenden Zug festzustellen. Der Zweck von S, der statischen Bewertung, war kniffliger: Bei jedem Zug wurden die variablen Parameter leicht korrigiert, so daß sich S so eng wie möglich an D annäherte. Das wirkte sich so aus, daß das durch das dynamische Absuchen des Baums gewonnene Wissen teilweise in den Wert der Parameter der statischen Beurteilung codiert wurde. Kurz, die Absicht war die, die komplexe dynamische Beurteilung in die viel einfachere und wirksamere statische Bewertungsfunktion „flachzudrücken“.
    Hier gibt es auch einen hübschen rekursiven Effekt. Der springende Punkt ist der, daß die dynamische Bewertung einer einzigen Stellung auf dem Brett bedingt, daß man eine endliche Anzahl von Schritten — sagen wir sieben — vorausschauen muß. Nun muß jede der Unmengen von Stellungen, die sich sieben Straßenkreuzungen weiter unten ergeben können, selbst ebenfalls irgendwie bewertet werden. Wenn aber das Programm diese Stellungen bewertet, kann es sicher nicht weitere sieben Schritte vorausschauen, damit es nicht vierzehn Schritte vorausschauen muß und dann einundzwanzig usw. ein unendlicher Regreß. Statt dessen verläßt es sich auf die statischen Bewertungen der Stellungen, die sieben Züge voraus liegen. Somit findet in Samuels Entwurf eine komplizierte Art von Rückkoppelung statt, in der das Programm fortwährend versucht, die vorausschauende Bewertung in ein einfaches statisches Rezept „flachzudrücken"; und dieses Rezept selbst spielt seinerseits wiederum eine Schlüsselrolle bei der dynamischen, vorausblickenden Bewertung. So sind beide eng miteinander verknüpft, und jede profitiert von Verbesserungen in der anderen auf rekursive Art und Weise.
    Das Spielniveau des Dame-Programms von Samuel ist außerordentlich hoch, etwa so hoch wie das der Weltbesten. Wenn dem so ist — warum nicht die gleiche Technik auf das Schachspiel anwenden? Ein internationales Komitee, das 1961 gebildet wurde, um die Möglichkeiten des Computerschach zu erforschen, und dem auch der holländische internationale Großmeister und Mathematiker Max Euwe angehört, kam zu dem entmutigenden Schluß, daß die Anwendung der Samuel-Technik auf das Schachspiel ungefähr eine Million mal schwieriger ist als beim Damespiel, und damit ist dieses Kapitel wohl abgeschlossen.
    Die außerordentlich große Meisterschaft des Dame-Programms bedeutet noch nicht, daß „Intelligenz erreicht“ worden wäre; man sollte es aber auch nicht zu gering einschätzen. Es ist eine Kombination von Erkenntnissen darüber, was das Wesen des Damespiels ist, wie man darüber nachdenken und wie man es programmieren sollte. Man könnte vielleicht meinen, daß alles, was es zeigt, Samuels eigene Spielstärke ist. Das aber stimmt aus mindestens zwei Gründen nicht. Der erste ist der, daß ein gewiefter Spieler seine Züge aufgrund von geistigen Vorgängen wählt, die er selber nicht völlig versteht — er macht von seiner Intuition Gebrauch. Nun ist

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