Gödel, Escher, Bach - ein Endloses Geflochtenes Band
etwas locker interpretiert, als ein Argument für die Abschaffung von DNS und RNS lesen. Warum genetische Information in DNS codieren, wenn man durch direkte Repräsentierung in Proteinen nicht bloß eine, sondern zwei Interpretationsstufen eliminieren könnte? Die Antwort lautet: Es zeigt sich, daß es äußerst nützlich ist, dieselbe Information in mehreren verschiedenen Formen für verschiedene Zwecke zu besitzen. Ein Vorteil des Speicherns von genetischer Information in der modularen oder datenähnlichen Form der DNS besteht darin, daß die Gene zweier Individuen leicht wieder kombiniert werden können, um einen neuen Genotyp zu bilden. Dies wäre sehr schwierig, wenn die Information nur in Proteinen vorhanden wäre. Ein zweiter Grund für die Informationsspeicherung in DNS ist, daß sie leicht in Proteine transkribiert und übersetzt werden kann. Wenn sie nicht gebraucht wird, beansprucht sie nicht viel Platz, wird sie gebraucht, so funktioniert sie als Schablone. Einen Mechanismus zum Kopieren eines Proteins auf ein anderes gibt es nicht; ihre gefaltete Tertiärstruktur würde das Kopieren höchst unhandlich machen. Komplementär dazu: Es ist beinahe zwingend, genetische Information in dreidimensionaler Struktur wie die Enzyme einzubringen, weil das Erkennen und die Manipulation von Molekülen ihrer Natur nach eine dreidimensionale Operation ist. Nun erweist sich das Argument für lediglich prozedurale Repräsentation im Kontext der Zellen als falsch. Es läßt erkennen, daß es von Vorteil ist, zwischen prozeduraler und deklarativer Repräsentation hin- und herschalten zu können. Das trifft vermutlich auch auf AI zu.
Dieses Problem wurde von Francis Crick auf einer Tagung über Kommunikation mit außerirdischer Intelligenz vorgebracht:
Auf der Erde sehen wir, daß es zwei Moleküle gibt, von denen das eine für die Replikation (DNS) und das andere für Aktion (Proteine) sorgt. Ist es möglich, ein System zu entwerfen, in dem ein Molekül beide Aufgaben verrichtet, oder gibt es vielleicht von der Systemanalyse stärkere Argumente, die andeuten (wenn es sie gibt), daß es ein großer Vorteil ist, die Aufgabe in zwei Teile zu zerlegen? Die Antwort auf diese Frage weiß ich nicht. 14
Modularität des Wissens
Eine andere Frage bei der Repräsentierung von Wissen ist die nach der Modularität. Wie leicht ist es, neues Wissen einzugeben? Wie leicht ist es, altes Wissen zu revidieren? Wie „modular“ sind Bücher? Es kommt ganz darauf an. Wenn aus einem streng strukturierten Buch mit Querverweisen ein einziges Kapitel entfernt wird, kann der Rest des Buches praktisch unverständlich bleiben. Es ist, als zöge man einen einzelnen Faden aus einem Spinnennetz - wenn man das tut, zerstört man das Ganze. Auf der anderen Seite sind gewisse Bücher sehr modular, da sie voneinander unabhängige Kapitel haben.
Nehmen wir ein gradliniges Programm für die Herstellung von S ÄTZEN , das TNT-Axiome und Folgerungsregeln benutzt. Das „Wissen“ eines solchen Programms hat zwei Aspekte. Es sitzt implizit in den Axiomen und Regeln und explizit in den bisher erzeugten S ÄTZEN . Je nachdem, wie man das Wissen betrachtet, sieht man es entweder als modular oder als über alles ausgebreitet und völlig unmodular. Angenommen zum Beispiel, man hätte ein solches Programm verfaßt, hätte aber vergessen, TNT-Axiom 1 in die Liste der Axiome aufzunehmen. Nachdem das Programm einige tausend Ableitungen vorgenommen hat, erkennen wir diese Unterlassung und fügen das neue Axiom zu. Die Tatsache, daß man das ohne weiteres tun kann, zeigt, daß es implizit modular ist; aber der Beitrag des neuen Axioms zum expliziten Wissen des Systems wird sich erst nach langer Zeit herausstellen — nachdem seine Wirkung nach außen „diffundiert“ ist, wie der Duft eines Parfums sich langsam in einem Zimmer verbreitet, wenn die Flasche zerbrochen ist. In diesem Sinne braucht das neue Wissen lange, bis es einverleibt worden ist. Außerdem: Wenn man zurückgehen wollte und Axiom I durch sein Gegenteil ersetzte, wäre das ohne andere Änderungen nicht möglich; man müßte alle S ÄTZE streichen, in deren Ableitung Axiom 1 vorkäme. Ganz offensichtlich ist das explizite Wissen nicht annähernd so modular wie das implizite.
Von Nutzen wäre es, zu lernen, wie man Wissen modular übertragen kann. Um dann jemand Französisch zu lehren, würden wir einfach seinen Schädel öffnen und nach festen Regeln Eingriffe an seinen neuralen Strukturen vornehmen.
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