Gödel, Escher, Bach - ein Endloses Geflochtenes Band
liefern, wie das zu bewerkstelligen wäre. (Das Programm „HACKER“ von Gerald Sussman synthetisiert und „entwanzt“ (d. h. befreit von Fehlern) kleine Unterprogramme auf eine Weise, die der Enzymkaskade gar nicht so fernsteht.)
Die Gleichheitsentdecker beim Bongard-Problem könnten als enzymähnliche Programme eingesetzt werden. Wie ein Enzym wandert ein Ede nach Lust und Laune umher und stößt hier und dort auf kleine Datenstrukturen. Nachdem er seine zwei „aktiven Stellen“ mit identischen Datenstrukturen aufgefüllt hat, würde der Ede eine Botschaft an andere Teile (Akteure) senden. Solange die Programme seriell sind, wäre es nicht eben sinnvoll, mehrere Exemplare von Ede zu haben, aber bei einem wirklich parallelen Computer wäre die Regulierung der Anzahl von Exemplaren eines Unterprogramms eine Möglichkeit, die vermutliche Wartezeit bis zum Abschluß einer Operation zu regulieren, genau wie die Regulierung der Anzahl von Exemplaren einesEnzyms in einer Zelle die Geschwindigkeit, mit der jene Funktion erbracht wird, reguliert. Und wenn neue Edes synthetisiert werden könnten, wäre das vergleichbar dem Durchsickern des Erkennens von Mustern in tiefere Schichten unseres Geistes.
Fission und Fusion
Zwei interessante und sich gegenseitig ergänzende Ideen, die sich auf die Wechselwirkung von Symbolen beziehen, sind „Fission“ und „Fusion“. Fission ist die allmähliche Entfernung eines neuen Symbols von dem Stammsymbol (das heißt von dem Symbol, das als Kopier-Schablone diente). Fusion ist das, was geschieht, wenn zwei (oder mehr) ursprünglich nicht verwandte Symbole an einer „gemeinsamen Aktivierung“ teilnehmen und die Botschaften so dicht gepackt hin und her schieben, daß sie allmählich zusammenwachsen. Danach kann die Kombination angesprochen werden, als handle es sich um ein einziges Symbol. Fission ist ein mehr oder weniger unvermeidlicher Prozeß, denn wenn einmal ein neues Symbol von einem alten „abgerieben“ worden ist, wird es autonom, und seine Wechselwirkungen mit der Außenwelt spiegeln sich in seiner privaten inneren Struktur; was aber als eine vollkommene Kopie begann, verliert allmählich immer mehr von seiner Ähnlichkeit mit dem Symbol, von dem es „abgerieben“ wurde. Etwas subtiler ist die Fusion. Wann werden zwei Begriffe wirklich zu einem? Gibt es einen präzisen Zeitpunkt, an dem eine Fusion stattfindet?
Der Begriff der gemeinsamen Aktivierung öffnet eine Pandorabüchse von Fragen. Zum Beispiel, inwieweit hören wir „Hand“ und „Schuh“, wenn wir „Handschuh“ sagen? Hört ein Amerikaner, der an „doughnuts“ (Krapfen) denkt, „dough“ (Teig) und „nut“ (Nuß)? Wie steht es mit Chinesen, deren Wort „dōng-xi“ (Osten-Westen) „Ding“ bedeutet? Die Sache hat auch ihre politische Bedeutung, da es Leute gibt, die behaupten, daß Wörter wie „Mannschaft“ mit männlichen Untertönen besetzt sind. Das Ausmaß, in dem Teile innerhalb des Ganzen widerhallen, ändert sich von Mensch zu Mensch und je nach den Umständen.
Das eigentliche Problem der „Fusion“ von Symbolen ist, daß es sehr schwierig ist, sich allgemeine Algorithmen vorzustellen, die aus kollidierenden Symbolen neue bedeutungstragende Symbole erschaffen. Ähnlich geht es mit zwei zusammenlaufenden DNS-Strängen. Wie nimmt man Teile von jedem und rekombiniert sie in einen sinnvollen und lebensfähigen neuen DNS-Strang, der ein Individuum derselben Art codiert? Oder einer neuen Art? Dafür, daß eine zufällige Kombination von DNS-Teilen etwas codieren wird, das überleben wird, sind die Chancen verschwindend gering etwa so groß wie die Chance, daß eine beliebige Kombination von Wörtern aus zwei Büchern ein drittes erzeugt. Die Chancen, daß rekombinantes DNS auf irgendeiner Ebene, ausgenommen der untersten, sinnvoll sein wird, ist verschwindend klein, eben weil es im DNS so viele Bedeutungsebenen gibt. Und das gleiche gilt für „rekombinante Symbole“.
Epigenese des Krebs-Kanons
Ich denke an meinen Dialog Krebs-Kanon als typisches Beispiel dafür, daß zwei Ideen in meinem Kopf zusammenstießen und sich auf neue Art miteinander verbanden, und plötzlich fiel mir eine neue Art von Verbalstruktur ein. Natürlich kann ich noch immer an musikalische Krebskanons und an verbale Dialoge getrennt denken; sie können noch immer unabhängig voneinander aktiviert werden; aber auch das fusionierte Symbol für krebskanonische Dialoge hat seine eigenen, charakteristischen
Weitere Kostenlose Bücher