Gödel, Escher, Bach - ein Endloses Geflochtenes Band
Eigenschaften geliefert hat. Man kann das ganz früh tun, denn es bedarf dazu keiner bereits bestehenden Schablonen; es kann sogar eine taugliche Methode sein, um Eigenschaften aufzuspüren, aus denen sich eine Schablone aufbauen läßt. BP 61 (Abb. 129) ist ein Beispiel, wo dieses Vorgehen rasch zu einer Lösung führen könnte.
Abb. 128 . BP 58.
Abb. 129 . BP 61.
Wissenschaft und die Welt der Bongard-Probleme
Man kann sich die Welt der Bongard-Probleme als einen winzigen Ort vorstellen, an dem „wissenschaftlich“ gearbeitet wird, d. h. dessen Zweck der ist, Muster in der Welt wahrzunehmen. Bei der Suche nach Mustern werden Schablonen hergestellt, wieder auseinandergenommen, wieder zusammengesetzt; Schlitze werden von einem Verallgemeinerungsniveau zu einem anderen verschoben; es wird gefiltert und fokussiert usw. Auf allen Komplexitätsstufen werden Entdeckungen gemacht. Die Kuhnsche Theorie, nach der gewisse seltene Ereignisse, die man „Paradigma-Verschiebung“ nennt, den Unterschied zwischen „normaler“ Wissenschaft und „begrifflichen Revolutionen“ markiere, greift anscheinend nicht, denn wir können Paradigma-Verschiebungen fortwährend im ganzen System beobachten. Das Fließende der Beschreibungen sorgt dafür, daß Paradigma-Verschiebungen überall stattfinden werden.
Natürlich sind gewisse Entdeckungen „revolutionärer“ als andere, weil sie weiterreichende Auswirkungen haben. Zum Beispiel kann man die Entdeckung machen, daß die Probleme 70 und 71 (Abb. 130) „das gleiche Problem“ sind, wenn man sie von
Abb. 130 . BP 70 - 71.
einer hinlänglich abstrakten Stufe aus betrachtet. Die entscheidende Beobachtung ist die, daß bei beiden eine Verschachtelung der Tiefenstufe 2 gegenüber der Tiefenstufe 1 auftritt. Das ist eine neue Entdeckungsebene für Bongard-Probleme. Es gibt sogar eine noch höhere Ebene, die die Sammlung als Ganzes betrifft. Wenn jemand sie noch nie gesehen hat, kann es für ihn ein gutes Rätsel sein, herauszufinden, worum es sich denn eigentlich handelt. Das herauszufinden ist eine revolutionäre Erkenntnis, aber es muß betont werden, daß die Denkmechanismen, die eine solche Entdeckung ermöglichen, sich in nichts von denen unterscheiden, die bei der Lösung eines einzelnen Bongard-Problems Verwendung finden.
In gleicher Weise spaltet sich die Wissenschaft in Wirklichkeit nicht in „normale“ Perioden und „begriffliche Revolutionen"; Paradigmaverschiebungen sind vielmehr überall anzutreffen, es gibt einfach größere und kleinere Verschiebungen auf verschiedenen Stufen. Die rekursiven Kurven von TNT und Gplot (Abb. 32 und 34) liefern ein geometrisches Modell für diese Vorstellung; sie haben die gleiche Struktur voller diskontinuierlicher Sprünge auf jeder, nicht nur der obersten Stufe — nur: je tiefer die Stufe, desto kleiner die Sprünge.
Verbindung zu anderen Denkweisen
Um dieses ganze Programm irgendwie in einen Zusammenhang zu bringen, möchte ich zwei Arten vorschlagen, auf die es mit anderen kognitiven Aspekten verwandt ist. Nicht nur hängt es von anderen Aspekten der Kognition ab, sondern sie hängen auch wieder von ihm ab. Zunächst will ich diese Abhängigkeit zeigen. Die Intuition, die es braucht, um zu wissen, wann es sinnvoll ist, Unterscheidungen zu verwischen, neue Beschreibungen zu versuchen, zurückzugehen, die Niveaus zu ändern usw. ist etwas, das man sich vermutlich erst mit viel Erfahrung im Denken überhaupt aneignet. Es wäre also sehr schwierig, heuristische Methoden für diesen entscheidenden Aspekt des Programms zu definieren. Manchmal hat die Erfahrung, die man mit wirklichen Gegenständen in der Welt gemacht hat, einen sehr subtilen Einfluß auf die Beschreibung des Kästchens. Wer vermag z. B. zu sagen, wie weit die Vertrautheit mit wirklichen Bäumen einem bei der Lösung von BP 70 behilflich sein kann. Es ist sehr zweifelhaft, ob das Teilnetz der Begriffe sich beim Menschen ohne weiteres vom Gesamtnetz trennen läßt. Viel wahrscheinlicher ist es, daß die Intuition, die auf meinem Sehen und Handhaben von wirklichen Objekten — Kämmen, Zügen, Ketten, Klötzchen, Briefen, Gummibändern usw. usw. beruht, eine nicht wahrnehmbare, aber wichtige Führungsrolle bei der Lösung dieser Rätsel spielt.
Umgekehrt steht fest, daß das Verständnis von Situationen in der wirklichen Welt sehr stark von visuellen Vorstellungen und räumlicher Intuition abhängt, so daß es der allgemeinen Effizienz der Denkprozesse nur förderlich
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