Gödel, Escher, Bach - ein Endloses Geflochtenes Band
aber trotzdem bei.)
Frage: Wird ein Computerprogramm jemals schöne Musik schreiben?
Spekulation: Ja, aber nicht so bald. Musik ist die Sprache der Gefühle, und bis Programme so komplexe Empfindungen haben wie wir, gibt es keine Methode, nach der ein Programm etwas Schönes schreiben kann. „Fälschungen“ sind möglich seichte Nachahmungen der Syntax früherer Musik — aber was man auch zunächst denken mag: es gibt viel mehr an musikalischem Ausdruck, als sich in syntaktischen Regeln einfangen läßt. Die Musik komponierenden Programme werden auf lange Zeit keine neuen Spielarten der Schönheit herausfinden. Ich will diesem Gedanken noch etwas nachgehen. Zu denken — und ich habe diese Annahme selbst gehört —, daß wir bald imstande sein werden, einer für zwanzig Dollar erstandenen, vorprogrammierten massenproduzierten Tischmodell-„Musicbox“ aus dem Versandhaus den Auftrag geben zu können, aus ihren sterilen Schaltkreisen Stücke zu produzieren, die Chopin oder Bach hätten schreiben können, wenn sie länger gelebt hätten, ist eine groteske und beschämende Fehleinschätzung der Tiefe des menschlichen Geistes. Ein „Programm“, das Musik erzeugen könnte, wie jene es taten, müßte allein auf der Welt herumirren, sich seinen Weg durch das Labyrinth des Lebens erkämpfen und jeden Augenblick erfühlen. Es müßte die Freude und die Einsamkeit in einem eisigen Nachtwind verstehen, die Sehnsucht nach einer geliebten Hand, die Unzugänglichkeit einer fernen Stadt, das gebrochene Herz und die Regeneration nach dem Tod eines Menschen. Es müßte Resignation erfahren haben und Weltschmerz, Kummer und Verzweiflung, Vorsehung und Sieg, Frömmigkeit und Ehrfurcht. Es müßte Gegensätze wie Hoffnung und Angst, Betrübnis und Jubel, Gelöstheit und Spannung kennen. Dazu gehört ein Sinn für Grazie, Humor, Rhythmus, ein Sinn für das Unerwartete — und natürlich ein feines Gespür für den Zauber des neu Erschaffenen. Darin, und nur darin liegen die Wurzeln der Bedeutung von Musik.
Frage: Wird man Emotionen explizit einer Maschine einprogrammieren können?
Spekulation: Nein. Das ist lächerlich. Jegliche direkte Simulierung — wie zum Beispiel PARRY — kann die Komplexität menschlicher Empfindungen nicht erreichen, die sich indirekt aus der Organisation unseres Geistes ergeben. Programme und Maschinen werden auf gleiche Weise Empfindungen erwecken: als Nebenprodukt ihrer Struktur, der Art wie sie organisiert sind — nicht durch direkte Einprogrammierung. So wird z. B. niemand ein Unterprogramm „Sich verlieben“ schreiben, genauso wenig wie ein Unterprogramm „Fehler machen“. „Sich verlieben“ ist eine Beschreibung, die wir einem komplexen Prozeß eines komplexen Systems zuordnen; innerhalb des Systems braucht jedoch kein einziges Modul dafür allein zuständig zu sein.
Frage: Wird ein denkender Computer jemals imstande sein, rasch zu addieren?
Spekulation: Vielleicht nicht. Wir selber bestehen aus Hardware, die raffinierte Berechnungen ausführt, aber das bedeutet nicht, daß unsere Symbolebene, auf der „wir“ uns befinden, weiß, wie eben diese raffinierten Berechnungen vorzunehmensind. Ich will es einmal so sagen: Es gibt keine Möglichkeit, Zahlen in die eigenen Neuronen zu laden, um die Kaufmannsrechnung zu addieren. Zu Ihrem Glück kann Ihre Symbolebene (d. h. Sie) keinen Zugang zu den Neuronen finden, die Ihr Denken besorgen — sonst kämen Sie völlig durcheinander. Um wieder einmal Descartes zu paraphrasieren:
„Ich denke, also habe ich keinen Zugang zu der Ebene, auf der ich summiere“.
Warum sollte das nicht auch für ein intelligentes Programm gelten? Man darf ihm nicht gestatten, Zugang zu den Schaltsystemen zu finden, die sein Denken besorgen, sonst käme seine Zentraleinheit völlig durcheinander. Im Ernst: eine Maschine, die den Turing-Test besteht, kann sehr wohl so langsam addieren wie Sie oder ich, und zwar aus ähnlichen Gründen. Sie wird die Zahl 2 nicht einfach durch zwei Bits „10“ darstellen, sondern als einen ausgewachsenen Begriff, wie wir das tun, voll von Assoziationen wie dem Synonym „zwo“, den Wörtern „Paar“ und „Ehe“, einer Menge von geistigen Bildern wie die Punkte auf Dominosteinen, die Form der Ziffer „2“, „abwechselnd“, „gerade“ (im Gegensatz zu „ungerade“) usw. Wenn es soviel „Extragepäck“ mit sich führt, wird ein intelligentes Programm bei seinem Addieren träge wie ein Faultier werden. Natürlich könnten
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