Gödel, Escher, Bach - ein Endloses Geflochtenes Band
das ganze System in Unordnung stürzen, weil es so unerwartet wäre, so Verwickelt, so Seltsam!
Wenn man einmal so mit dem Kopf gegen die Decke gestoßen ist, die einen nicht aus dem System hinaus zu einer noch höheren Autorität springen läßt, bietet sich ironischerweise die einzige Rettung bei Kräften an, die weniger gut durch Regeln definiert sind, aber ohnehin die einzige Quelle der Regeln höherer Ebene darstellen:die Regel niedrigerer Stufe, was in diesem Fall bedeutet: die allgemeine Reaktion der Gesellschaft. Man tut gut daran, sich zu erinnern, daß in einer Gesellschaft wie der unseren das Rechtssystem in einem gewissen Sinn eine höfliche Geste ist, die Millionen von Menschen kollektiv gewährt haben — und es kann genauso leicht außer Kraft gesetzt werden wie ein Fluß, der seine Ufer überschwemmt. Dann übernimmt anscheinend die Anarchie die Macht; aber diese Anarchie hat ihre eigenen Regeln, genau so wie die zivilisierte Gesellschaft: sie funktionieren bloß von unten nach oben und nicht von oben nach unten. Ein Anarchie-Forscher könnte versuchen, Regeln zu finden, gemäß denen anarchische Situationen entstehen, und höchstwahrscheinlich gibt es solche Regeln.
Hier ist eine Analogie aus der Physik nützlich. Wie früher erwähnt, gehorchen im Gleichgewicht befindliche Gase einfachen Gesetzen, die Temperatur, Druck und Volumen miteinander verbinden. Indessen kann ein Gas die Gesetze verletzen (wie ein Präsident Gesetze verletzen kann) — vorausgesetzt, es ist nicht in einem Gleichgewichtszustand. In Situationen ohne Gleichgewicht kann der Physiker bei der Beschreibung nur zu der statistischen Mechanik Zuflucht nehmen — das heißt, zu einem Beschreibungsniveau, das nicht makroskopisch ist, denn die letztendliche Erklärung des Verhaltens eines Gases liegt immer auf der Molekularstufe, genau wie die letztendliche Erklärung politischen Verhaltens einer Gesellschaft immer bei der Basis liegt. Auf dem Spezialgebiet der Thermodynamik bemühen sich die Forscher, das Verhalten von Gasen (und anderen Systemen) zu beschreiben, die nicht im Gleichgewicht sind. Das ist analog jenem Zweig der Politologie, in dem nach Gesetzen gesucht wird, die anarchische Gesellschaften bestimmen.
Andere merkwürdige Verwicklungen in der Staatsgewalt entstehen, wenn das FBI seine eigenen Missetaten ermittelt; ein Polizeibeamter, der während seiner Amtszeit ins Gefängnis kommt, die Anwendung parlamentarischer Verfahrensregeln auf die Regeln selbst usw. Einer der merkwürdigsten Rechtsfälle, die mir bekannt sind, war der eines Mannes, der übersinnliche Kräfte zu besitzen behauptete. Er behauptete sogar, er könne mit seinen übersinnlichen Kräften persönliche Charakterzüge aufdecken und so den Rechtsanwälten bei der Beeinflussung von Geschworenen behilflich sein. Was wenn der so Begabte selbst eines Tages vor Gericht gekommen wäre? Welche Auswirkungen hätte das auf einen Geschworenen, der fest an Außersinnliche Wahrnehmung (ASW) glaubt? Wie weit wird er sich von dem übersinnlich Begabten beeinflußt fühlen (gleichgültig, ob dieser wirklich einer ist oder nicht)? Das Gebiet ist es wert, erforscht zu werden — ein großartiger Tummelplatz sich selbst erfüllender Prophezeiungen .
Verwicklungen von Wissenschaft und Okkultem
A propos übersinnlich Begabte und ASW — ein anderes Gebiet, in dem Seltsame Schleifen in Hülle und Fülle zu finden sind, ist das der Grenzwissenschaften. Diese stellen die gängigen Verfahrensweisen und das Ansehen der orthodoxen Wissenschaft und damit die Objektivität der Wissenschaft in Frage. Neue Methoden für die Interpretationdes Beweismaterials werden vorgelegt, die mit den bestehenden in Wettbewerb treten. Wie aber kann man eine Methode für die Interpretation von Beweismaterial bewerten? Ist das nicht genau das Problem der Objektivität noch einmal und auf höherer Stufe? Natürlich. Lewis Carrolls Paradoxie vom unendlichen Regreß taucht in neuem Gewand wieder auf. Die Schildkröte würde argumentieren, daß wenn man A als Tatsache darstellen will, man einen Beweis benötigt: B. Was aber garantiert uns, daß B der Beweis für A ist? Um das zu zeigen, braucht man einen Metabeweis: C. Und für die Validierung dieses Metabeweises bedarf man eines Metametabeweises usw., ad nauseam. Das ist so, weil — um eine alte Weisheit aufzuwärmen — die Menschen in ihrem Gehirn eingebaute Hardware haben, die über rudimentäre Möglichkeiten der Interpretation von Beweismaterial
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