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Gödel, Escher, Bach - ein Endloses Geflochtenes Band

Gödel, Escher, Bach - ein Endloses Geflochtenes Band

Titel: Gödel, Escher, Bach - ein Endloses Geflochtenes Band Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Douglas R. Hofstadter
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gemünzt. Wie steht es mit den inneren Widersprüchen? Ein System wird vermutlich in sich widerspruchsvoll sein, wenn es zwei oder mehr S ÄTZE enthält, deren Interpretationen sich nicht miteinander vertragen, und in sich widerspruchsfrei, wenn alle interpretierten S ÄTZE sich vertragen. Man betrachte z. B. ein formales System, das nur aus den folgenden drei S ÄTZEN besteht: TbZ , ZbE und EbT . Wenn T als „Theo Schildkröte“, Z als „Zeno“, E als „Egbert“ und x b y als „x bezwingt y immer im Schachspiel“ interpretiert wird, dann haben wir die folgenden interpretierten S ÄTZE :
    Theo Schildkröte bezwingt Zeno immer im Schach.
    Zeno bezwingt Egbert immer im Schach.
    Egbert bezwingt Theo Schildkröte immer im Schach.
    Diese Aussagen sind miteinander nicht unverträglich, wenn sie auch einen eher bizarren Kreis von Schachspielern beschreiben. Gemäß dieser Interpretation ist deshalb das formale System, in dem diese drei Ketten S ÄTZE sind, in sich widerspruchsfrei, obgleich in Wirklichkeit keine der drei Aussagen wahr ist! Innere Widerspruchsfreiheit fordert nicht die Wahrheit aller S ÄTZE , sondern lediglich ihre Verträglichkeit.
    Nehmen wir nun an, daß x b y als „x wurde von y erfunden“ zu interpretieren sei. Das ergäbe:
    Theo Schildkröte wurde von Zeno erfunden.
    Zeno wurde von Egbert erfunden.
    Egbert wurde von Theo Schildkröte erfunden.
    In diesem Fall spielt es keine Rolle, ob die einzelnen Aussagen wahr oder falsch sind und vielleicht gibt es gar keine Möglichkeit festzustellen, welche wahr sind und welche nicht. Sicher ist jedoch, daß nicht alle drei gleichzeitig wahr sein können. Also macht die Interpretation das System innerlich widerspruchsvoll. Diese innere Widersprüchlichkeit hängt nicht von der Interpretation der drei Großbuchstaben ab, sondern nur von der von b und von der Tatsache, daß die drei Großbuchstaben zyklisch um b permutiert werden. Innere Widersprüchlichkeit kann somit bestehen, ohne daß man alle Symbole des formalen Systems interpretiert hat. (In diesem Fall genügt es, ein einziges Symbol zu interpretieren.) Wenn genügend viele Symbole eine Interpretation bekommen haben, stellt sich vielleicht heraus, daß es keine Möglichkeit gibt, den Rest so zu interpretieren, daß alle S ÄTZE sich als wahr erweisen. Das ist aber nicht einfach eine Frage der Wahrheit — es ist eine Frage der Möglichkeit. Alle drei S ÄTZE erwiesen sich als falsch, wenn die Großbuchstaben als die Namen von realen Personen interpretiert würden — aber das ist nicht der Grund, warum wir das System als in sich widerspruchsvoll bezeichnen würden; unser Grund dafür wäre die Ringförmigkeit, zusammen mit der Interpretation des Buchstabens b . (Mehr über dieses „Autoren-Dreieck“ übrigens in Kapitel XX.)
Hypothetische Welten und Widerspruchsfreiheit
    Wir haben zwei Möglichkeiten angegeben, wie man Widerspruchsfreiheit auffassen kann: Die erste besagte, daß ein System-plus-Interpretation hinsichtlich der äußeren Welt widerspruchsfrei  ist, wenn jeder S ATZ sich bei der Interpretation als wahr erweist; die zweite ist die, daß ein System-plus-Interpretation innerlich widerspruchsfrei ist, wenn alle S ÄTZE , wenn interpretiert, sich als wechselseitig miteinander verträglich erweisen. Nun besteht eine enge Beziehung zwischen diesen beiden Arten von Widerspruchsfreiheit. Um festzustellen, ob mehrere Aussagen wechselseitig miteinander verträglich sind, muß man versuchen, sich eine Welt vorzustellen, in der sie alle gleichzeitig wahr sein könnten. Innere Widerspruchsfreiheit hängt also von der Widerspruchsfreiheit mit dieser äußeren Welt ab — nur daß die „äußere Welt“ jetzt jede vorstellbare Welt ist, und nicht nur die, in der wir leben. Das aber ist eine äußerst vage, unbefriedigende Folgerung. Was ist denn eine „vorstellbare“ Welt? Schließlich ist es möglich, sich eine Welt vorzustellen, in der sich drei Gestalten zyklisch erfinden. Oder doch nicht? Kann man sich eine Welt vorstellen, in der es quadratische Kreise gibt? Ist eine Welt vorstellbar, in der Newtons Gesetze, nicht aber die Relativitäts-Theorie gelten? Ist es möglich, sich eine Welt vorzustellen, in der etwas gleichzeitig grün und nicht grün sein kann? Oder eine Welt, in der Tiere existieren, die nicht aus Zellen bestehen? In der Bach eine achtstimmige Fuge über ein Thema Friedrichs des Großen improvisierte? In der Moskitos intelligenter sind als Menschen? In der Schildkröten

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