Gödel, Escher, Bach - ein Endloses Geflochtenes Band
lesen.)
(Achilles hat Herrn Schildkröte eingeladen, seine Sammlung von Bildern seines Lieblingskünstlers M C. Escher anzuschauen.)
Schildkröte: Es sind wundervolle Blätter, Achilles.
Achilles: Ich wußte, daß sie Ihnen gefallen würden. Haben Sie ein besonderes Lieblingsbild?
Schildkröte: Eines meiner Lieblingsbilder ist Konkav und Konvex, auf dem zwei in sich widerspruchsfreie Welten, wenn man sie nebeneinander-hält, zusammen eine vollständig widersprüchliche Welt bilden. Widersprüchliche Welten machen immer Spaß, wenn man sie besucht, aber leben möchte ich dort nicht.
Achilles: Was meinen Sie mit „Spaß, wenn man sie besucht“? Widersprüchliche Welten EXISTIEREN nicht, wie kann man sie also besuchen?
Schildkröte: Entschuldigung — aber waren wir uns nicht schon einig geworden, daß in diesem Bild von Escher eine widersprüchliche Welt abgebildet ist?
Achilles: Ja, aber das ist einfach eine zweidimensionale Welt, eine fiktive Welt, ein Bild. Diese Welt kann man nicht besuchen.
Schildkröte: Ich habe da meine Mittel und Wege.
Achilles: Wie könnten Sie sich in eine flaches Bilduniversum werfen?
Schildkröte: Indem ich ein kleines Glas P USH -S AFT trinke. Das ist das Geheimnis.
Achilles: Was in aller Welt ist Push-Saft?
Schildkröte: Es ist eine Flüssigkeit in kleinen Keramikfläschchen, und wenn jemand bei der Betrachtung eines Bildes davon trinkt, „pusht“ sie ihn in die Welt dieses Bildes. Wenn einer die Kraft des Push-Safts nicht kennt, ist er oft über die Lage, in die er gerät, nicht wenig erstaunt.
Achilles: Gibt es kein Gegenmittel? Wenn man einmal gepusht worden ist, ist man dann unrettbar verloren?
Schildkröte: In gewissen Fällen ist das gar kein so schlimmes Schicksal. Aber es gibt tatsächlich einen anderen Saft, nun eigentlich kein Saft, sondern ein Elixier — nein, nicht ein Elixier, sondern ein -
Schildkröte: Wahrscheinlich meint er „Tonic“.
Achilles: Tonic?
Schildkröte: Das ist das Wort, nach dem ich suchte. Man nennt es „P OPTONIC “, und wenn Sie daran denken, in Ihrer rechten Hand ein Fläschlein davon zu halten, wenn Sie den Push-Saft schlucken, wird es ebenfalls ins Bild gepusht, und wenn Sie dann das Bedürfnis haben, ins wirkliche Leben zurück zu „poppen“, brauchen Sie nur einen SchluckPop-Tonic zu trinken und Simsalabim! sind Sie wieder in der wirklichen Welt, genau dort, wo Sie waren, bevor Sie sich hineinpushten.
Achilles: Das klingt aber sehr interessant. Was würde passieren, wenn Sie Pop-Tonic zu sich nehmen, ohne sich vorher selbst in ein Bild gepusht zu haben?
Schildkröte: Das weiß ich auch nicht genau, Achilles. Aber ich wäre sehr vorsichtig im Umgang mit diesen seltsamen Push- und Pop-Flüssigkeiten. Ich hatte einmal einen Freund — er trug immer Kaschmir-Pullover —, der genau das tat, was Sie vorschlagen — und niemals wieder hat jemand etwas von ihm gehört.
Achilles: Pech! Kann man die Flasche mit Push-Saft mit sich nehmen?
Schildkröte: Gewiß. Halten Sie sie einfach in der rechten Hand, und sie wird zusammen mit Ihnen in das Bild gepusht, das Sie betrachten.
Achilles: Was passiert, wenn Sie dann ein Bild innerhalb des Bildes finden, in das Sie bereits eingetreten sind, und nochmals einen Schluck Push-Saft zu sich nehmen?
Schildkröte: Genau das, was zu erwarten war: Sie geraten in dieses Bild-im-Bild.
Achilles: Ich nehme also an, daß Sie zweimal poppen müssen, um sich aus den ineinander eingebetteten Bildern zu befreien und ins wirkliche Leben zurückzukehren.
Schildkröte: Richtig! Für jeden Push müssen Sie einmal poppen, da ein Push Sie innerhalb des Bildes hinunterstößt, und ein Pop das wieder aufhebt.
Achilles: Wissen Sie, das kommt mir alles recht verdächtig vor ... Sind Sie sicher, daß Sie nicht einfach die Grenzen meiner Leichtgläubigkeit prüfen wollen?
Schildkröte: Ich schwöre! Sehen Sie, hier sind die beiden Fläschchen, hier in meiner Tasche.
(Er faßt in seine Tasche und zieht zwei ziemlich große unetikettierte Röhrchen heraus. In einem hört man eine rote Flüssigkeit schwappen, im andern eine blaue.)
Wenn Sie wollen, können wir sie versuchen. Was sagen Sie dazu?
Achilles: Nun ja, hm, vielleicht, hm ...
Schildkröte: Gut! Ich wußte, daß Sie es versuchen wollten. Sollen wir uns nun in die Welt von Eschers Konkav und Konvex pushen?
Achilles: Nun, äh ...
Schildkröte: Dann wäre das also entschieden. Nur müssen wir daran denken, dieses Gefäß mit Tonic mitzunehmen, so daß
Weitere Kostenlose Bücher