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Gödel, Escher, Bach - ein Endloses Geflochtenes Band

Gödel, Escher, Bach - ein Endloses Geflochtenes Band

Titel: Gödel, Escher, Bach - ein Endloses Geflochtenes Band Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Douglas R. Hofstadter
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Bezugsrahmen identifizieren?“ Eine einfache Lösung scheint zu sein, eine Platte zu schicken — ihre physikalische Grobstruktur erregt starke Aufmerksamkeit, und es leuchtet uns zumindest ein, daß sie bei Wesen von genügend hohem Intelligenzgrad die Idee auslösen wird, nach der in der Platte verborgenen Informationen zu suchen. Jedoch kommt es aus technischen Gründen nicht in Frage, feste Körper nach anderen Sternensystemen zu schicken. Indessen hindert uns das nicht, darüber nachzudenken.
    Nehmen wir nunmehr an, daß eine fremde Zivilisation auf die Idee kommt, der angemessene Mechanismus für die Übersetzung der Platte sei eine Maschine, die die Rillenmuster in Töne verwandelt. Das wäre noch längst keine wirkliche Entzifferung. Was würde überhaupt eine erfolgreiche Entzifferung einer solchen Platte darstellen? Offensichtlich müßten die Angehörigen dieser Zivilisation die Töne irgendwie verstehen können. Das bloße Erzeugen von Tönen wäre an sich kaum der Mühe wert, wenn sie nicht den erwünschten Auslöse-Effekt im Gehirn (wenn das da das richtige Wort ist) auf diese fremdartigen Wesen hätten. Und was wäre dieser erwünschte Effekt? Es bestünde darin, in ihren Gehirnen Strukturen zu aktivieren, die emotionale Effekte in ihnen hervorriefen, welche den emotionalen Effekten analog wären, die wir beim Hören des Stücks erfahren. Die Erzeugung von Tönen ließe sich sogar umgehen, vorausgesetzt, diese Wesen verwendeten die Platte in anderer Weise, um die entsprechenden Strukturen in ihren Gehirnen zu erreichen. (Wenn wir Menschen eine Möglichkeit hätten, die entsprechenden Strukturen eine nach der anderen auszulösen, wie die Musik das tut, könnten wir ganz zufrieden damit sein, den Ton zu umgehen — aber es scheint doch äußerst unwahrscheinlich, daß es dafür einen anderen Weg gibt als den durch das Ohr. Taube Komponisten — Beethoven, Dvořák, Faure — oder Musiker, die Musik „hören“ können, wenn sie die Partituren lesen, entkräften diese Behauptung nicht, denn diese Fähigkeiten beruhen auf vorausgegangener jahrzehntelanger unmittelbarer auditiver Hörerfahrung.)
    Hier ist der Punkt, an dem alles recht unklar zu werden beginnt. Haben die Wesen einer anderen Zivilisation Gefühle? Wann sind diese, falls sie solche haben sollten, in irgendeinem Sinn auf die unsrigen abbildbar? Wenn sie Gefühle besitzen, die den unsrigen einigermaßen ähneln — sind sie ungefähr so gebündelt wie die unsrigen? Verstehen sie Verschmelzungen wie „tragische Schönheit“ oder „tapferes Leiden“? Wenn es sich ergibt, daß Wesen im gesamten Universum tatsächlich kognitive Strukturen mit uns so weitgehend gemeinsam haben, daß sogar die Gefühle sich überschneiden, dann kann die Schallplatte niemals außerhalb ihres natürlichen Kontexts sein; dieser Kontext ist ein Teil der natürlichen Weltordnung. Und wenn das der Fall ist, dann ist es wahrscheinlich, daß eine umherirrende Platte, wenn sie nicht unterwegs zerstört wird, schließlich von einer Gruppe von Wesen aufgenommen und auf eine Weise, die wir als „erfolgreich“ bezeichneten, entziffert würde.
„Imaginäre Raumschaft”
    Als ich oben nach der Bedeutung eines DNS-Moleküls fragte, gebrauchte ich den Ausdruck „zwingende innere Logik“, und ich halte das für einen Schlüsselbegriff. Zur Illustration ändern wir unsere hypothetisch ins Weltall geschickte Platte, indem wir das Stück von Bach durch „Imaginäre Landschaft Nr. 4“ von John Cage ersetzen. Das ist ein klassisches Beispiel für aleatorische oder Zufallsmusik, Musik, deren Struktur durch verschiedene Zufallsprozesse bestimmt ist und nicht durch das Bestreben, persönliche Gefühle zu vermitteln. In diesem Fall setzen sich vierundzwanzig Künstler an die vierundzwanzig Knöpfe von zwölf Radios. Solange das Stück dauert, spielen sie in aleatorischer Weise an ihren Knöpfen herum, so daß jedes Radio lauter und wieder leiser wird, wobei fortwährend von einem Sender zu einem anderen umgeschaltet wird. Die Gesamtheit der so erzeugten Töne bildet das Musikstück. Cage selbst drückt seine Einstellung so aus: „die Töne sie selbst sein lassen anstatt Träger von von Menschen gemachten Theorien oder vom Ausdruck menschlicher Stimmungen“.
    Nehmen wir nun an, daß dieses Stück auf der Platte in den Weltraum geschickt würde. Für eine fremde Zivilisation wäre es außerordentlich unwahrscheinlich — wenn nicht geradezu unmöglich — das Wesen dieses Artefakts

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