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Gödel, Escher, Bach - ein Endloses Geflochtenes Band

Gödel, Escher, Bach - ein Endloses Geflochtenes Band

Titel: Gödel, Escher, Bach - ein Endloses Geflochtenes Band Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Douglas R. Hofstadter
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außerordentlich schwierig — etwa so, als versuche man, die Note in einem Musikstück zu bestimmen, die dessen gefühlsmäßige Bedeutung trägt. Natürlich gibt es eine solche Note nicht, weil das Gefühlsmäßige auf einer sehr hohen Stufe steht durch große „Ballungen“ des Stückes getragen wird, nicht durch Einzelnoten. Übrigens sind solche „Ballungen“ nicht notwendigerweise Gruppen aufeinander folgender Noten; es können auch unverbundene Teile sein, die zusammengenommen erst das Gefühlsmäßige tragen. Auf ähnliche Weise ist „genetische Bedeutung“, das heißt Information über die Struktur des Phänotyps auf all die kleinen Teile eines DNS-Moleküls verteilt, aber noch versteht niemand die Sprache. (Achtung: diese „Sprache“ zu verstehen wäre keineswegs das Gleiche wie das Knacken des genetischen Codes, wie das in den frühen sechziger Jahren geschah. Der genetische Code sagt uns, wie wir kurze Stücke von DNS in verschiedene Aminosäuren übersetzen können. So ist also das Knacken des genetischen Codes vergleichbar dem Auffinden der phonetischen Werte der Buchstaben eines fremden Alphabets, ohne daß man die Grammatik der Sprache oder die Bedeutung auch nur eines ihrer Wörter herausgefunden hätte. Das Knacken des genetischen Codes war ein entscheidender Schritt auf dem Weg zur Ermittlung der Bedeutung der DNS-Stränge, aber es war doch nur der erste auf einem langen Weg, den es noch zurückzulegen gilt.)
Musikboxen und Auslöser
    Die in der DNS enthaltene genetische „Bedeutung“ ist eines der besten Beispiele für implizite Bedeutung. Um den Genotyp zum Phänotyp umzuwandeln, muß eine Anzahl von weit komplexeren Mechanismen, als der Genotyp einer ist, auf diesen einwirken. Die verschiedenen Teile des Genotyps dienen als Auslöser für diese Mechanismen. Eine Musikbox — der gewöhnlichen Art, nicht der des Krebses! — liefert hier eine nützliche Analogie: Ein paar Knöpfe spezifizieren ein sehr komplexes Vorgehen, das der Mechanismus befolgen soll, so daß sich sehr wohl sagen läßt, daß die Knöpfe das gerade gespielte Lied „ausgelöst“ haben. In dem Prozess, der den Genotyp in einen Phänotyp verwandelt, nehmen Zellen-Musikboxen — wenn man so sagen darf — den „Knopfdruck“ von kurzen Auszügen eines langen DNS-Strangs entgegen, und die „Lieder“, die sie spielen, sind oftmals die Grundstoffe für weitere „Musikboxen“. Es ist, als wären der Ausstoß von wirklichen Musikboxen nicht Liebesschnulzen, sondern Anweisungen für den Bau noch komplizierterer Musikboxen ... Teile der DNS lösen die Produktion von Proteinen aus; diese Proteine lösen Hunderte von neuen Reaktionenaus, diese ihrerseits lösen den Replikationsvorgang der in verschiedenen Schritten DNS kopiert und so weiter und so fort ... Das gibt eine Ahnung davon, wie rekursiv der ganze Vorgang ist. Das Ende dieser vielfach ausgelösten Auslösungen ist der Phänotyp — das Individuum. Und man sagt, daß der Phänotyp die Enthüllung— das „Herausziehen“ — der Information ist, die von allem Anfang an latent in der DNS vorhanden war. (Der Ausdruck „Enthüllung“ — révélation — geht auf Jacques Monod zurück, einen der tiefsinnigsten und originellsten Molekularbiologen unseres Jahrhunderts.)
    Nun wird gewiß niemand sagen, daß das aus dem Lautsprecher einer Musikbox kommende Lied eine „Enthüllung“ der Information bilde, die dem Knopfpaar, das gedrückt wurde, inhärent sei, denn diese beiden Knöpfe scheinen einfach Auslöser zu sein, deren Zweck es ist, informationstragende Teile des Musikbox-Mechanismus zu aktivieren. Andererseits scheint es durchaus vernünftig, das Herausholen von Musik aus einer Platte als „Enthüllung“ der der Platte inhärenten Information zu bezeichnen, und das aus verschiedenen Gründen:
1)
Die Musik ist anscheinend nicht im Mechanismus des Plattenspielers verborgen;
2)
es ist möglich, Teile des Inputs (der Platte) Teilen des Outputs (der Musik) mit beliebiger Genauigkeit zuzuordnen;
3)
es ist möglich, andere Platten auf dem gleichen Plattenspieler abzuspielen und damit andere Töne zu erzeugen;
4)
Platte und Plattenspieler lassen sich leicht trennen.
    Eine ganz andere Frage ist die, ob die Scherben einer zerbrochenen Platte eine ihnen innewohnende Bedeutung haben. Die Ränder der einzelnen Stücke passen zusammen, und auf diese Weise kann die Information wiederhergestellt werden — aber hier geht was weit Komplexeres vor sich. Dann ist da die Frage

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