Gödel, Escher, Bach - ein Endloses Geflochtenes Band
eines gestörten Telefonanrufs ... Es gibt ein riesiges Spektrum von Graden der inhärenten Bedeutung. Interessant ist es, die Epigenese in diesem Spektrum zu plazieren. Kann man sagen, daß im Laufe der Entwicklung eines Organismus die Information aus seiner DNS „herausgezogen wird? Ist das die Stelle, an der die gesamte Information über die Struktur des Organismus sitzt?
DNS und die Notwendigkeit eines chemischen Kontexts
Dank Experimenten wie denen von Avery scheint die Antwort in einem gewissen Sinn „ja“ zu lauten. In einem anderen Sinn ist sie anscheinend „nein“, weil ein so großer Teil des Herausholungsvorgangs auf außerordentlich komplizierten chemischen Prozessen in der Zelle beruht, die in der DNS selbst nicht codiert sind. Die DNS verläßt sich auf die Tatsache, daß sie eintreten werden, enthält aber anscheinend keinen Code, der sie herbeiführen könnte. So haben wir also zwei sich widersprechende Ansichten über das Wesen der Information im Genotyp. Die eine sagt, daß so viel von Information außerhalb der DNS liegt, daß man in der DNS nicht mehr sehen darf, einen sehr komplizierten Satz von Auslösern, wie eine Folge von Knöpfen, die bei einer Musikbox gedrückt werden müssen; eine andere Ansicht ist die, daß die Information nur hier vorhanden ist aber in sehr impliziter Form.
Nun sieht das so aus, als handelte es sich hier einfach um zwei verschiedene Arten, das Gleiche zu sagen, aber das ist nicht notwendigerweise der Fall. Nach der einen Ansicht ist die DNS außerhalb ihres Kontexts ganz sinnlos; nach der anderen ist ein DNS-Molekül eines Lebewesens sogar außerhalb seines Kontexts von einer solch zwingenden inneren Logik in seiner Struktur, daß sich die Botschaft in jedem Fall ablesen ließe. Um es so knapp wie möglich zu sagen: nach der einen Ansicht ist ein chemischer Kontext notwendig, soll die DNS einen Sinn haben, nach der anderen, daß nur Intelligenz nötig ist, um die einem DNS-Strang „innenwohnende Bedeutung“ zu enthüllen.
Ein unwahrscheinliches UFO
Wir können dieses Problem ins richtige Licht rücken, indem wir eine seltsame hypothetische Begebenheit betrachten. Eine Schallplatte von Bachs Sonate in f-Moll für Violine und Klavier, aufgenommen mit den Interpreten David Oistrach und Lev Oborin, wird in einem Satelliten in den Weltraum geschickt. Vom Satelliten aus wird sie dann auf einen Kurs gebracht, der sie aus dem Sonnensystem, vielleicht gar aus der ganzen Milchstraße hinausführt — eine dünne Scheibe aus Plastik mit einem Loch in der Mitte, die durch den intergalaktischen Raum saust. Sicherlich hat sie ihren Kontext verloren. Wieviel Bedeutung trägt sie noch?
Wenn eine fremde Zivilisation sie fände, fiele ihr sicher die Form der Scheibe auf, und sie würde vermutlich großes Interesse wecken. Somit gäbe also ihre Form, die als Auslöser fungierte, sofort eine gewisse Information her, nämlich daß es sich um ein Artefakt handelt, vielleicht ein informationstragendes Artefakt. Diese Idee — die durch die Platte selbst mitgeteilt oder ausgelöst wird — schafft jetzt einen neuen Kontext, in dem die Platte von nun an betrachtet werden wird. Die nächsten Schritte der Entschlüsselung können wesentlich mehr Zeit erfordern, aber das können wir nur mit den größten Schwierigkeiten beurteilen. Wir können uns vorstellen, daß wenn eine solche Platte zu Bachs Zeit auf der Erde eingetroffen wäre, niemand gewußt hätte, was damit anfangen, und höchstwahrscheinlich hätte man sie überhaupt nicht entziffert. Das jedoch tut unserer Überzeugung keinen Abbruch, daß die Information grundsätzlich da ist; wir wissen einfach, daß die Kenntnisse der Menschen zu jener Zeit im Hinblick auf Speicherung, Umformung und Enthüllung von Information noch nicht sehr fortgeschritten waren.
Verständnisebenen einer Botschaft
Heutzutage ist die Idee der Entschlüsselung sehr weit verbreitet. Sie ist ein wesentlicher Bestandteil der Tätigkeit von Astronomen, Linguisten, Archäologen, militärischen Fachleuten usw. Häufig findet man die Vorstellung, daß wir in einem Ozean von Radio-Botschaften von anderen Zivilisationen treiben, Botschaften, die wir nur noch nicht zu entziffern wissen. Und viel ernsthaftes Nachdenken ist auf die Techniken der Entzifferung solcher Botschaften verwendet worden. Eines der Hauptprobleme — vielleicht dasGrundproblem — ist die Frage: „Wie können wir erkennen, daß überhaupt eine Botschaft vorliegt? Wie kann man einen
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