Gödel, Escher, Bach - ein Endloses Geflochtenes Band
Entschlüsselung von kontextfreien Botschaften können wir ziemlich deutlich drei Informationsebenen erkennen: 1) die Rahmenbotschaft, 2) die äußere Botschaft, 3) die innere Botschaft. Am vertrautesten sind wir mit 3), der inneren Botschaft; das ist diejenige, die zu übermitteln ist: ein emotionales Musikerlebnis, der Phänotyp in der Genetik, die Könige und Riten alter Zivilisationen usw.
Die innere Botschaft verstehen, heißt die vom
Sender beabsichtigte Bedeutung herausziehen.
Die Rahmenbotschaft lautet: „Ich bin eine Botschaft — entschlüssele mich, wenn du kannst“, und sie ist implizit durch grobe strukturelle Aspekte jedes beliebigen Informationsträgers übermittelt.
Die Rahmenbotschaft verstehen, heißt die Notwendigkeit
für einen Entschlüsselungsmechanismus erkennen.
Wenn die Rahmenbotschaft als solche erkannt worden ist, dann wird die Aufmerksamkeit auf Ebene 2 umgeschaltet, die äußere Botschaft. Das ist die implizit von Symbolmustern und Strukturen in der Botschaft getragene Information, die angibt, wie man die innere Bedeutung entschlüsseln kann.
Die äußere Botschaft verstehen, heißt den richtigen
Entschlüsselungsmechanismus für die innere
Botschaft zu bauen oder bauen zu können.
Diese äußere Ebene ist notwendigerweise eine implizite Botschaft in dem Sinn, daß der Sender ihr Verständnis nicht gewährleisten kann. Es wäre vergebliche Mühe, Anweisungen zu senden, die angeben, wie die äußere Botschaft zu entschlüsseln ist, denn diese müßten Teil der inneren Botschaft sein, welche nur verstanden werden kann, wenn der Entschlüsselungsmechanismus erst einmal gefunden worden ist. Aus diesem Grund ist die äußere Botschaft notwendigerweise ein Arrangement von Auslösern, und nicht eine Botschaft, die von einem bekannten Decodierer enthüllt werden kann.
Die Formulierung dieser drei „Schichten“ ist ein ziemlich primitiver Ansatz zur Lösung des Problems, auf welche Weise die Bedeutung in Botschaften enthalten ist. Es können Schichten um Schichten von äußeren und inneren Botschaften vorliegen, und nicht nur je eine. Man denke z. B. daran, auf welch komplizierte Art die inneren und äußeren Botschaften auf dem Rosetta-Stein ineinander verwickelt sind. Um die Botschaft ganz zu entschlüsseln, müßte man die gesamte semantische Struktur, die seiner Erzeugung zugrundeliegt, rekonstruieren — und so den Sender in seinem vollen Umfang begreifen. Man könnte also die innere Botschaft wegwerfen, weil, wenn man die äußere Botschaft mit all ihren Feinheiten wirklich verstünde, die innere Botschaft sich rekonstruieren ließe.
Das Buch Nach Babel von George Steiner ist eine lange Auseinandersetzung mit der Wechselwirkung zwischen inneren und äußeren Botschaften (wenngleich er diese Terminologie nicht verwendet). Der Tenor des Buches geht aus dem folgenden Zitat hervor:
Wir bedienen uns ... normalerweise einer gesprochenen Kurzschrift, unter der ein ganzer Schatz an unbewußten, halbbewußten, absichtlich verheimlichten oder bekundeten Assoziationen liegt. Dieses unser Assoziationsvermögen ist so umfangreich und detailliert, daß es wahrscheinlich in seiner Einzigartigkeit der Summe unserer personalen Individualität, unserer Persönlichkeit gleichkommt. 1
Auf der gleichen Linie liegen die von Leonard B. Meyer in seinem Buch Music, the Arts, and Ideas ausgesprochenen Gedanken:
Die Art, wie man einer Komposition von Elliott Carter zuhört, unterscheidet sich grundlegend von der, die den Werken von John Cage angemessen ist. Auf ähnliche Weise muß ein Roman von Beckett grundlegend anders gelesen werden als einer von Saul Bellow. Ein Gemälde von Willem de Kooning und eines von Andy Warhol fordern verschiedene perzeptionelle und kognitive Haltungen. 2
Vielleicht versuchen Kunstwerke mehr als irgend etwas sonst, ihren Stil zu erkennen zu geben. Wenn man in diesem Falle jemals einen Stil bis in seine tiefsten Tiefen ergründet hätte, könnte man ohne die Werke in diesem Stil auskommen. „Stil“,„äußere Botschaft“, „Entschlüsselungstechnik“ — alles verschiedene Arten, die gleichen Grundgedanken auszudrücken.
Schrödingers aperiodische Kristalle
Was läßt uns in gewissen Objekten eine Rahmenbotschaft erkennen, in anderen aber nicht? Warum sollte eine fremde Zivilisation, wenn sie eine umherirrende Platte auffinge, vermuten, daß in ihr eine Botschaft lauert? Wodurch würde sich eine Platte von einem Meteoriten unterscheiden? Offensichtlich ist ihre
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