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Gößling, Andreas

Titel: Gößling, Andreas Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dämonenpforte Die
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gesagt – dabei konnte sich Billa überhaupt nicht erinnern, wann sie ihr irgendwas versprochen haben sollte.
    Auf der anderen Seite fand sie es aber auch total schmeichelhaft, dass sie für Sina so wichtig war. Dass sie, die kleine Billa, ehemals Laura, mit ihren gerade mal zwölf Jahren eine Aufgabe ausführen sollte, die eine so starke und kluge Frau wie Sina offenbar nicht allein ge backen bekam. Und was war schon dabei, in dieses Hexenholz reinzuspazieren und zu dem Hügel mitten im Wald zu gehen, wo es ein Problem mit dem sogenannten Auge zu lösen gab? Immerhin hatte Jakob vor, im richtigen Regenwald allein unter Kopfjägern zu leben – dagegen war das hier doch nicht viel mehr als eine Baumschule mit einem Tümpel mittendrin.
    Der Tümpel war eine Art Wasserloch oder so etwas, das allerdings unter einer uralten Tempelruine mit einem wenig Vertrauen einflößenden Namen lag – Hexendom oder sogar Drachenmaul. Und warum sie da unbedingt rein sollte, um »das Auge freizulegen«, verstand Billa eigentlich überhaupt nicht.
    Ihr Familienurlaub auf Klothas Hof war jedenfalls fast schon zu Ende, als Sina ihr abends im Pferdestall praktisch die Mistgabel auf die Brust setzte: »Morgen früh gehst du da rein, Billalein, verstanden? Sonst vergrößert Klotha mit dir unsere Katzensammlung – tut mir leid, länger kann ich die Alte wirklich nicht mehr hinhalten.« Dazu machte sie zwar ein Gesicht, als ob es mehr ein Joke als eine Drohung wäre. Aber eine Drohung war es zum Teil jedenfalls auch.
    Außerdem hatte Billa selbst ja längst Blut geleckt. Laura hatte vielleicht Angst, aber Billa kannte so was gar nicht: Feigheit, Bravsein. Sie würde es allen zeigen – ihren Eltern, ihren Freundinnen zu Hause und nicht zuletzt Jakob. Sie alle sollten sehen, was in ihr steckte, wer sie wirklich war. Nicht die brave, kleine Laura, sondern die kühne, furchtlose Billa.
    An jenem Abend erklärte ihr Sina noch, wo sie ein Loch in den Zaun machen würde, damit Billa am nächsten Morgen dort ins Hexenholz kriechen konnte. Und zuletzt gab sie ihr noch einen rostigen Fingerhut, in den sie ein paar Krümel Lehm vom Hexenhügel geklebt hatte. Diesen Fingerhut sollte sich Billa auf den linken Zeigefinger stecken, bevor sie durch den Zaun kroch. Was auch immer sie dann sehen und hören würde, sie sollte nur darauf achten, wohin der Hexenlehm sie führen wollte. Sie würde es in ihrem Zeigefinger spüren und immer in die Richtung gehen, in die der Fingerhut sie zog. So würde sie zum Drachenmaul kommen, unter dem das sogenannte Auge war.
    Sie schlenderte also den Wurzelpfad von Klothas Hof in Richtung Croplin entlang. Es war ein wolkenloser Vormittag im August – einer dieser Sommertage, an de nen es so gleißend hell ist, dass jeder Stein, jeder Baum von einer Art flimmerndem Lichtkreis umgeben scheint.
    Das Loch im Hexenholzzaun fand sie sofort. Sie spähte nach links und rechts – von Jakob keine Spur mehr. Bestimmt hatte er schon die ersten Cropliner Häuser erreicht und freute sich auf das fette Schokoeis, das er sich gleich in der Eisdiele am Kirchplatz kaufen würde.
    Billa ging in die Hocke und versuchte, im Dickicht hinter dem Loch irgendetwas zu erkennen. Aber da war nur ein Wall aus Bäumen, eng nebeneinander, dazwischen Dunkelheit so dick wie Drachenblut. Aus den Stämmen ragten Unmengen winziger Aststümpfe, kahl und dornenspitz. Es sah aus wie stoppelhaarige Monsterbeine.
    Für einen endlosen Moment hockte Billa einfach da am Wegrand, starr vor Angst. Sonst klopfte ihr das Herz immer wie irrsinnig in der Brust, wenn sie sich vor irgendwas fürchtete. Aber diesmal war es anders. Um sie herum schien sich alles nur noch in Zeitlupe zu bewegen, wenn überhaupt. Die Baumwipfel hoch über ihr, die so langsam hin und her schwangen, als ob sie von zähem Schlamm statt von Luft umgeben wären. Der schwarze Vogel, der oben auf dem Zaun hockte und mit absurd langsamem Kopfrucken zu ihr runteräugte. Die rot-weiß getigerte Katze, die so mühsam quer über den Weg schlich, als ob ihre Pfoten bei jedem Schritt beinahe festkleben würden. Selbst die Geräusche klangen viel schleppender als gewöhnlich – das Knarren der Bäume, die Rufe der Waldtiere, jeder Laut zog eine Welle von Echos hinter sich her.
    Auch in Billas Innerem schien alles unwirklich verlangsamt. Ihr Herzschlag, ihr Atem, ihre Gedanken. Wie eine Schlafwandlerin streckte sie ihre Arme vor und kroch ins Hexenholz.
    Kaum hatte sie den Zaun und die ersten Bäume hinter

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