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Gößling, Andreas

Titel: Gößling, Andreas Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dämonenpforte Die
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zähe Schicht selbst etwas Lebendiges wäre. Oder als ob darunter eine Kreatur hockte, die sie mit der Astspitze aufgeschreckt hätte.
    Billa spürte den überwältigenden Drang, Hals über Kopf davonzurennen. Aber sie war nicht Laura. Sie würde nicht die Flucht ergreifen, sondern ihre Aufgabe erledigen.
    Sie packte den Ast mit beiden Händen und stieß ihn so fest sie konnte in den »Schleier« hinein. Wieder stülpte sich die zähe Schicht nach innen, aber bei diesem Versuch hatte Billa kräftiger zugestoßen: Die Schicht riss mit einem schmatzenden Laut in Fetzen. Und bevor Billa den Ast wieder herausziehen konnte, wurde er an seinem unteren Ende von irgendetwas gepackt und ihr mit aller Gewalt aus den Händen gezerrt.
    Diesmal schrie Billa tatsächlich auf. Auf dem schmalen, glitschigen Felsrand hätte sie fast das Gleichgewicht verloren. Hätte sie den Ast nicht losgelassen, so wäre sie mit ins Auge hinabgezogen worden – durch die zähe Schleimschicht hindurch in eine Höhle voller Monster, oder was immer da unten hausen mochte.
    Fassungslos starrte sie in das Loch hinab. Der Ast steckte senkrecht im »Schleier«, und sie hörte ein Gurgeln und Zischen aus der Tiefe, während ihr Stock langsam durch das Loch nach innen gesogen wurde.
    Dann war der Ast verschwunden und für die Dauer eines halben Wimpernschlags war da unter ihr immer noch dieses Loch. Kreisrund, dunkel funkelnd, das glotzende Auge eines boshaften Urzeitviehs. Und dann schoss durch dieses Loch irgendetwas Gelbes, unerträglich Grelles zu ihr herauf. Ein Blitz, ein Lichtstrahl, ein Pfeil aus reinem Feuer. Billa schloss die Augen, erneut schrie sie auf – und spürte im selben Moment einen würgenden, unsagbar ekelhaften Schmerz. In ihrem Mund, in ihrem Rachen, drinnen den Hals hinab. Als ob da irgendwas Feuchtes, Kratziges in sie reingesprungen, geglitscht, gekrochen wäre. Eine Eidechse, ein schwarz-gelber Salamander – ja, ganz genauso hatte es sich angefühlt.
    Als sie ihre Augen wieder aufmachte, hatte sich das Loch unter ihr, in der zähen Schleimschicht, wieder geschlossen. Aber sie spürte immer noch dieses Kratzen in ihrem Hals, hatte den Echsengeschmack noch auf der Zunge. Vor ihren Augen zuckten immer noch optische Echos von dem grellen Blitz, der zu ihr emporgeschossen war. Sie hatte das Gefühl, dass etwas – oder jemand – von ihr Besitz ergriffen hatte. Oder jedenfalls dabei war, es zu tun. Sie hörte ein Wispern in ihrem Kopf. Wie ferngesteuert griffen ihre Hände nach einem weiteren Ast. Hoben ihn hoch über ihren Kopf, um neuerlich zuzustechen, den Schleier zu durchstoßen.
    Doch genau in diesem Moment hörte Billa, wie Jakob um Hilfe rief. Scheinbar aus weiter Ferne, aber klar und deutlich zu verstehen. Mit einer schrecklich angstverzerrten Stimme, und doch war es ganz bestimmt Jakob, der da um sein Leben schrie.
    Oh mein Gott, er ist hinter mir her durch den Zaun gekrochen, durchfuhr es Billa. Da rannte und stolperte sie schon die glitschigen Stufen wieder hoch und oben durch das stockfinstere Drachenmaul zurück auf den Hexenhügel. Dort blieb sie stehen, zwischen den schlafenden Golems, und lauschte. »Jakob!«, schrie sie. »Jakob, wo bist du?«
    Aber sie bekam keine Antwort mehr.

52

    Es war die Nacht, in der sie beide kein Auge zukriegen würden. Die neunte Nacht vor der Auferstehung der Golems.
    Eng aneinander geschmiegt lagen sie auf ihrem Moosbett im ehemals moorgräflichen Schlosspark. Seit Billa fertig erzählt hatte, war mindestens eine halbe Stunde vergangen, aber sie beide hatten seitdem kein Wort gesagt. Marian streichelte nur stumm ihre Schulter, und Billa atmete so gepresst ein und aus, dass es fast wie Schluchzen klang.
    »Du hast doch bestimmt nach ihm gesucht«, sagte er irgendwann und versuchte, es überhaupt nicht nach Frage klingen zu lassen.
    Sie drehte sich in seinem Arm und kam auf seiner Schulter zu liegen. Die blauen Flämmchen in ihren Augen brannten nur ganz schwach. Der Hexengeist machte sich in ihr anscheinend so klein wie nur möglich, aber sie mussten trotzdem auf der Hut sein. »Das wollte ich natürlich«, sagte sie. »Aber ich weiß nur noch, dass ich nach ihm geschrien hab und dabei den Hexenhügel runtergerannt bin – und dann erinnere ich mich erst wieder, dass ich auf der Pferdekoppel hinter Klothas Hof in einem Heuhaufen gelandet bin.«
    Ihr Atmen klang immer mehr wie Schluchzen. Also beschloss Marian, ihr lieber erst mal keine Fragen mehr zu stellen. Still streichelte er ihr

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