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Gößling, Andreas

Titel: Gößling, Andreas Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dämonenpforte Die
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schwöre dir – dann helf ich dir auch, dich von dem Biest zu befreien.«
    Als er wieder zu ihr herübersah, war das Brennen in ihren Augen beinahe erloschen. »Mann, Marian«, sagte sie, und auch ihre Stimme klang wieder fast normal, »wenn du erst alles gehört hast, wirst du dir wünschen, dass du mir nichts versprochen hättest. Dass du mich nie getroffen hättest, nie hier in Croplin gewesen wärst.«

51

    Es war ein sonniger Tag gewesen, damals im August vor drei Jahren. Wie an jedem Morgen im Urlaub hatten sie auf der Terrasse beisammengesessen. Ihre Eltern, Jakob und sie. Sie hatten in aller Ruhe zusammen gefrühstückt, herumgealbert, Pläne für den Tag geschmiedet. »Wir könnten zum Badesee fahren«, hatte ihre Mutter vorgeschlagen. »Oder wir machen eine Wanderung durchs Moor. Was meint ihr?« Mit einem entspannten Lächeln hatte sie Jakob und Laura angesehen.
    Billa musste noch heute gegen die Tränen ankämpfen, wenn sie ihre Mutter in der Erinnerung so vor sich sah. Seit Jakobs Verschwinden war ihre Familie ein Trümmerhaufen – und ihre Mutter ein Nervenwrack. Aber verdammt, das ließ sie jetzt lieber mal beiseite.
    Jedenfalls erinnerte sie sich noch ganz genau daran, dass Jakob ein wenig begeistertes Gesicht gezogen hatte. »Ich würde lieber einfach ein bisschen rumhängen«, hatte ihr Bruder gesagt. »Nach Croplin rein, ’n Eis essen oder so.« Und mit einem erwartungsvollen Grinsen in ihre Richtung: »Du kommst doch mit?«
    Aber Billa schüttelte damals nur finster den Kopf. »Keine Lust«, sagte sie, ohne ihn anzusehen.
    »Dann geh ich eben allein.«
    Sie war unendlich erleichtert, als ihr Bruder kurz darauf wirklich abzog – mit ein paar Münzen in der Tasche und dem Versprechen, spätestens um zwei zurück zu sein. Dann nämlich wollten sie alle zusammen zum Ba desee radeln.
    Jakob war kaum außer Sichtweite, als Billa so beiläufig wie überhaupt möglich sagte: »Ich schau mal nach den Pferden. Ist schon gut«, fügte sie hinzu, bevor ihre Mutter die üblichen Sprüche ablassen konnte. »Ich bleib auf dem Hof.«
    »Brave Laura«, sagte ihre Mutter. Und Billa hasste sie dafür.
    Wie lange schon träumte sie davon, endlich nicht mehr das kleine, brave blonde Mädchen zu sein. Wild, furchtlos, abenteuerlustig – so sah sie sich selbst in ihren geheimen Fantasien.
    Sina und die beiden älteren Frauen bestärkten sie in solchen Wunschbildern. »Möchte wetten, du hast ein paar Tropfen Hexenblut in dir«, sagte Sina bei jeder Gelegenheit. Und sie war es auch, die eines Tages behauptet hatte, dass Laura gar nicht ihr wahrer Name sei. »Im Traum seh ich, wie die Dinge wirklich sind«, hatte sie gesagt. »Du heißt Billa – das ist ein echter Hexenname , Mädchen.«
    Es tat ihr weh, dass Jakob und sie sich immer fremder wurden, je mehr sie sich von Laura in Billa verwandelte. Aber sie war es doch auch längst schon leid, immer nur Jakobs kleine Schwester zu sein. Sie waren beide gleich alt, sie sogar fünf Minuten älter als er, doch davon hatte sie überhaupt nichts. Jakob konnte schneller rennen als sie, er war stärker und mutiger als sie. Nur in der Schule konnte sie gegen ihn punkten – ihre Noten waren praktisch in allen Fächern besser als seine.
    Aber Schule war Jakob so was von egal. Er wollte sowieso Amazonasforscher werden, mit irgendwelchen Eingeborenen in ihren Dschungeldörfern leben. Außerdem Papageien züchten, ihnen Sprechen beibringen, hören , was in ihren Köpfen so alles vorging – Papageien waren für Jakob so was wie die Magier unter den Tieren. Wissend, erleuchtet, rätselhaft. Auf jeden Fall wollte er, wenn er erst erwachsen war, in den Regenwald gehen, ins »Land der weisen Papageien« – und lange Zeit hatten sie beide ganz selbstverständlich gedacht, dass Laura mit ihm kommen würde. Aber sie hatte es satt, das ängstliche Anhängsel ihres furchtlosen Bruders zu sein. Und so hat te sie Sina und den anderen bereitwillig geglaubt, als die ihr eingeredet hatten, dass sie Hexenblut in sich hätte. Nur ein paar Tropfen, sodass sie trotzdem in den Bannwald gehen konnte, um diese bestimmte Angelegenheit zu erledigen. »Aber psst, Billa, das ist unser Geheimnis, ja?«
    Sie hatte sich drei Sommer lang gesträubt. Auch bei ihrem letzten Familienurlaub hier, vor drei Jahren also, hatte sie noch wochenlang gehofft, dass die drei sie so davonkommen lassen würden. Aber Sina hatte nicht mehr lockergelassen. »Versprochen ist versprochen«, hatte sie bei jeder Gelegenheit

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