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Gößling, Andreas

Titel: Gößling, Andreas Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dämonenpforte Die
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über Arm und Schulter und versuchte, seine Gedanken zu ordnen.
    Durch das Loch im »Schleier« war allem Anschein nach Sylvenia aus dem Auge hervorgeschossen und in Billa gefahren. Daraufhin hatte der Hexenbann, den Meister Justus über den Wald gesprochen hatte, logischerweise auch sie getroffen. Also war Billa aus dem Hexenholz rauskatapultiert worden – nicht viel anders, als es auch Julian und ihm selbst passiert war.
    Aber welchen Zweck hatte es dann für die Hexen, das Auge wieder öffnen zu lassen? Offenbar war das Auge etwas Ähnliches wie das Pfortenglas in Marthelms Keller. Der »Schleier« davor war höchstwahrscheinlich durch den Bann entstanden, mit dem Meister Justus das ganze Areal belegt hatte. Wenn die Hexen es also schaffen würden, diesen Zugang freizukriegen, dann könnten sie in den Bannwald wieder hinein. Aber der Bann bestand ja trotzdem weiterhin – also würden sie nach kürzester Zeit wieder rausgeschleudert.
    Das ergibt doch überhaupt keinen Sinn, dachte Marian. Oder vielleicht doch?
    »Sina hat damals furchtbar mit mir geschimpft«, sagte Billa ganz leise in seine Grübeleien rein. »Sie hat geschrien und getobt, dass jetzt alles aus und vorbei wäre und dass ich allein Schuld daran hätte, wenn in Kürze die Welt untergehen würde. Die Welt untergehen!« Sie ließ einen weiteren Schluchzer los. »Mann, Marian, stell dir das doch mal vor. Ich war zwölf Jahre alt und total verzweifelt, weil Jakob wegen mir da drin im Hexenholz gefangen war – und Sina schreit auf mich ein, dass wegen mir die Welt untergehen würde.«
    »Und Jakob … Hast du nie dran gedacht, deinen Eltern zu sagen, was da wirklich passiert ist?«
    Sie gab ihm keine Antwort. Vom Cropliner Kirchplatz wehte fern und leise der Stundenschlag zu ihnen herauf – halb drei. Marian glaubte schon nicht mehr, dass Billa noch was antworten würde, als sie in total traurigem Tonfall sagte: »Das durfte ich doch nicht. Sina hat mir gleich klargemacht – wenn Jakob wirklich da drin ist, dann können nur sie mir helfen, ihn wieder rauszuholen. Und den Polizisten, die nach Jakob suchten, hab ich sogar das Loch im Zaun gezeigt. Aber das hab ich dir ja schon erzählt: Sie wollten nichts davon wissen. Behaupteten, dass es da keine Spuren gäbe. In Wirklichkeit hatten sie nicht die geringste Lust, im Hexenholz Kopf und Kragen zu riskieren, nur weil wieder mal ein Urlauberkind verschwunden war. Und eigentlich hatten sie ja auch recht: Sie hätten da reinkriechen können, aber Jakob hätten sie trotzdem nicht gefunden. Höchstens wären dann zusätzlich noch ein paar Sheriffs verloren gegangen.«
    Wieder verstummten sie beide für eine Weile. Obwohl es tief in der Nacht war, fühlte sich die Luft immer noch mild an. Allerdings half das auch nichts gegen das Frösteln, das Marian wieder und wieder überlief.
    »Sina und die anderen«, überlegte er, »wollten damals unbedingt, dass du diesen Schleier wegmachst – aber aus welchem Grund? Vor drei Jahren war das Auge unter dem Drachenmaul ja auch schon eine Ewigkeit verschlossen – 330 Jahre lang. Da hätten sie eigentlich noch die kurze Zeit warten können – sollte man jedenfalls meinen. Stattdessen aber hat sich Sina aufgeregt und rumgeschrien, dass jetzt alles aus und vorbei wäre. Was zum Teufel hat sie damit gemeint?«
    »Sina, Klotha und Birta«, sagte Billa, »die sind damals alle drei praktisch zusammengebrochen. Haben sich über Nacht verändert, haben es irgendwie nicht mehr geschafft, sich zusammenzureißen. Sind in kürzester Zeit verwahrlost und heruntergekommen, sie selbst und alles auf ihrem Hof. Die meisten Leute haben natürlich geglaubt, dass sie wegen Jakob so schockiert oder schuldbewusst wären. Weil eben ein kleiner Junge, der bei ihnen Urlaub gemacht hatte, verschwunden und allem Anschein nach im Moor ertrunken war. Weil die Polizei sie ins Kreuzverhör genommen hat und jetzt bestimmt niemand mehr bei ihnen seine Ferien verbringen wollte. Aber wenn du mich fragst, das ist alles Quatsch.«
    »Und was glaubst du, was mit ihnen passiert ist?«
    Billas Augen fingen an, im Mondschein zu glitzern. Zuerst befürchtete Marian, dass Sylvenia wieder dazwischenfahren wollte. Aber es waren keine Hexenflämmchen – Billas Augen schimmerten von Tränen. »Na, das Gleiche wie mit mir«, sagte sie. »Meiner Meinung nach versuchen sie seit mindestens hundert Jahren, dieses verdammte Auge aufzukriegen. Oder vielleicht sogar noch länger. Erst Klotha, dann Birta, dann Sina. Aber es

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