Gößling, Andreas
Gnadenhafer malmte, gab es auch hier nichts zu sehen. Kein Tyram, keine Kalesche und erst recht keine Billa.
Die schwere Goldkette mit dem goldenen Pentagramm trug Marian immer noch um den Hals. »Ich muss leider sofort wieder weg«, hatte er zu Torgas gesagt. »Unmöglich kann ich jetzt noch mal runter zu Meister Godobert. Sagen Sie ihm bitte – ich komme so schnell ich kann zurück, um die Sache da unten zu Ende zu bringen.«
Der alte Bruder Türsteher hatte ihn vollkommen verzweifelt angeschaut. Ihn dann wortlos zum Tor gebracht und rausgelassen, ohne die Kette zurückzufordern.
Umso besser, dachte Marian. Im Schatten des halb zusammengekrachten Schuppens ging er hinüber zu Klothas Wohnhaus. Jedes Mal, wenn er herkam, wunderte er sich, dass es nicht längst umgefallen war, sich in seine Einzelteile aufgelöst hatte. Unzählige Schindeln, die von der Fassade abgebröckelt waren, lagen auf der Veranda verstreut. Die Schimmelflecken auf den Mauern sahen wie ein widerlicher Hautausschlag aus. In den Blumentöpfen vor dem Küchenfenster wuchsen Disteln und Dornenranken.
Der Hausschlüssel lag unter einer losen Verandabohle, wie Billa es angekündigt hatte. Marian sah sich noch einmal nach allen Seiten um. Dann drehte er den Schlüs sel, drückte auf die Klinke und mit einem rosti gen Rö cheln ging die Haustür auf.
So hell es draußen war, so düster hier drinnen. Er zog die Tür hinter sich wieder zu, musste dann erst einen Moment warten, bis seine Augen nicht mehr nur gelbstichige Schatten zu seinem Gehirn funkten. Sondern jede Menge ekelhafter Hexenküchenbilder, auf die sein Ge hirn liebend gern verzichtet hätte: der rußige, riesige, rostige Ofen; am Küchentisch ein Stuhl mit drei Beinen und ein zweiter ohne Sitzfläche; die verbeulten Töpfe und Pfannen an den Wänden. Alles war mit einem widerlichen Schmier bedeckt, sodass man am Boden festklebte, wenn man auch nur einen Moment stehen blieb, an der Wand, wenn man den Fehler machte, sich anzulehnen, am Tisch, wenn man sich mit der Hand darauf abstützte. Das war kein gewöhnlicher Küchendreck, der sich aus Staub und Essensresten zusammenbackte. Eher so was wie Spinnenfäden, fast unsichtbar und mit klebrigem Schleim getränkt.
Eine Albtraum-Alarmanlage, dachte Marian und achtete darauf, dass er nirgendwo entlangstreifte, wenn es nicht unbedingt sein musste, und nichts außer dem schmierigen Boden berührte, und auch den nur immer ganz kurz und auf Pumafußspitzen. Trotzdem fühlte es sich jedes Mal an, als ob er in einen fetten Kaugummi getreten wäre, und mit jedem Schritt schienen die un sichtbaren Klebfäden unter seinen Sohlen dicker und zäher zu werden.
In der hinteren Küchenwand, zwischen zwei Schränken mit zersprungenen Milchglasscheiben, führte eine Tür tiefer ins Haus. Sie war angelehnt und Marian schob sie weit auf und blieb mit angehaltenem Atem stehen. Jeden Augenblick konnte eine der alten Frauen in diesem Flur auftauchen und irgendwas Scheußliches mit ihm anstellen. Ihm ein Rudel tollwütiger Katzen auf den Hals hetzen, ihn mit diesen Schmierfaden blitzschnell von Kopf bis Fuß umspinnen, oder weiß der Henker, was sonst noch. Na klar, Billa hätte ihm zumindest eine Alarm-SMS geschickt, wenn irgendwas schiefgelaufen wäre, Birta oder Sina beispielsweise daheimgeblieben wären. Außer, sie hatten Billa außer Gefecht gesetzt, be vor sie ihn warnen konnte.
Aber wegrennen bringt nichts, sagte sich Marian und machte einen entschlossenen Schritt in den dunklen Flur. Die erste Tür links, hatte Billa gesagt. Also gleich dieses Prachtstück hier: mit alten Kartoffelsäcken oder so was behängt, die sich noch dreimal schmieriger anfühlten als alles, was er bisher in diesem Laden angefasst hatte. Ekelhaft klebrig und gleichzeitig kratzig behaart. Sodass man vom Dranlangen eine Gänsehaut bekam und einen sauren Würgereiz dazu. Anstelle der Klinke gab es eine Seilschlaufe, mit der Marian erst im dritten Anlauf zurechtkam: Man musste sie nach links ziehen, vom Türrahmen weg, damit die Falle zurückschnappte und die Tür sich aufdrücken ließ.
Und wieder rostiges Scharnierwinseln, na klar. Und dann so ein pelziger Facehugger, der ihm aus dem Dun kel des Zimmers entgegenhechtete. Ihm das Gesicht zerkratzt, die Augen rausgefetzt hätte, wenn Marian nicht die ganze Zeit genau darauf gefasst gewesen wäre. Er sprang zur Seite und das fette Katzenvieh flog fauchend an ihm vorbei. Knallte neben ihm auf den Boden und verkroch sich maunzend
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