Gößling, Andreas
– wooo – huuummm!« und schwenkten die magischen Gegenstände über ihren Köpfen.
»Was immer diese Bestien vorhaben mögen«, sagte Godobert, »als Erstes wollen sie offensichtlich zu uns herüberkommen. Und ich bezweifle sehr, dass wir sie noch lange aufhalten können.«
»Entrückt«, wiederholte Marian. »Sie wollten mir erklären, was dieser Albertus damit meint.«
»Nun ja, nach drüben gesaugt.« Godobert fuhr sich mit der flachen Hand über den Mund, als wollte er seine Antwort ungeschehen machen. »Um die Pforte zu verschließen, stellst du dich einfach mit dem Rücken zum Sphärenfenster hin.« Er sprach jetzt so beiläufig, als ob er bloß die Funktionsweise eines Kühlschranks erläuterte. »Mit deiner Körperhaltung bildest du dabei einen fünfzackigen Stern nach.« Er wandte sich um und führte Marian vor, was er meinte: die Beine gespreizt, die Arme V-förmig erhoben. »Hals und Kopf stellen den fünften Strahl des Pentagramms dar«, sagte er und drehte sich wieder herum. »Von den Hacken deiner Füße bis hinauf zum Hinterkopf und zu den Handrücken drückst du dich einfach gegen das Sphärenfenster und rufst dreimal diese Formel hier.«
Er zog ein Blatt Papier aus der Tasche und hielt es Marian hin. »Das ist alles«, sagte er und schaute Marian eindringlich an. »Du gehst keinerlei Gefahr dabei ein. Wenn du die Formel das dritte Mal ausgerufen hast, verschwindet die Pforte, und kein Dämon kommt hier jemals mehr durch.«
»Außer, ich werde entrückt.«
»Aber das kann auf gar keinen Fall passieren! Die Kette wird dich zusätzlich schützen – ein Erbstück von deinem Onkel. Vor allem aber bist du zweifellos zur Magie berufen – das habe ich sofort an deinem Blick ge sehen.«
»Ja, weiß schon«, murmelte Marian. Er fühlte sich in die Enge getrieben. Wenn er auch nur daran dachte, dass er sich mit dem Rücken gegen diese Höllenpforte lehnen sollte, die sofort wieder aufplatzen würde – und dahinter lauerten diese Unmengen grässlicher Geister … Nein, mach ich nicht, auf gar keinen Fall, dachte Marian, während Godobert ihm weiterhin den Zettel mit der magischen Formel hinhielt.
»Das würde ich gern selbst erst noch mal nachlesen.« Marian nahm ihm das Blatt aus der Hand und schob es in seine Tasche, ohne auch nur einen Blick darauf zu werfen .
Godobert schaute ihn wortlos an. Sie beide wussten, dass Marian nur Zeit schinden wollte. Aus Feigheit, nahm der Meister zweifellos an, obwohl es mehr war als bloße Angst. Natürlich, ihm drehte sich der Magen um, wenn er auch nur dran dachte, dass er »entrückt« werden könnte, von der Geisterwelt verschluckt auf Nimmerwiedersehen. Aber trotzdem durfte er das Sphärenfenster auch deshalb noch nicht dichtmachen, weil er es vielleicht selbst noch mal brauchen würde. Doch das ging Godobert nichts an.
»Das Buch über ›Dämonen und Unsterblichkeit‹ von Albertus Magnus liegt oben in der Bibliothek noch auf dem Lesepult«, sagte der Logenmeister schließlich. »Es müsste sogar noch an der richtigen Stelle aufgeschlagen sein.« Wieder nahm sein Gesicht einen bittenden Ausdruck an. »Lies nach, was der große Magier geschrieben hat«, sagte er, »aber dann komm zurück – und hilf.«
Mit der linken Hand tastete Marian nach seinem Talmibro und Billas Medaillon. »Okay«, murmelte er, »dann also bis später.«
58
Der Rücken tat dem Famulus schon weh, so emsig kritzelte er mit der Gänsefeder in seine Kladde, tief über sein Pult gebeugt. Doch er achtete weder auf seinen schmerzenden Buckel noch auf das Klopfen an seiner Tür.
Jetzt geht’s um alles, dachte er, also reiß dich zusammen, Julian Hallthau. Schließlich kommt es bei magischen Formeln auf jede Silbe an.
Der Erste im Bunde war Gunter von Croplinsthal gewesen. Doch was genau hatte der Ritter geschrien, während er die schlafenden Golems stampfend umkreiste? Mit zusammengekniffenen Augen starrte Julian ins Leere. Dann tunkte er die Feder in sein Tintenfass ein und begann aufs Neue schwungvoll zu schreiben. »Aus heiliger Erde bist du geformt«, murmelte und schrieb er. »Golem – steh auf!«
Da ging mit einem Quietschen hinter ihm die Tür auf und der Famulus fuhr herum. »Bei allen Aposteln«, rief er, »mir deuchte wahrhaftig …«
Jungfer Hildegunde schien nicht weniger erschrocken als er. Wie festgebannt stand sie auf der Schwelle und suchte mit hauchzarter Hand am Türrahmen Halt. »Was, Julian«, rief sie, die Veilchenaugen weit aufgerissen, »was hat Er denn
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