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Gößling, Andreas

Titel: Gößling, Andreas Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dämonenpforte Die
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Schuppen kam. Er konnte sie erst sehen, als sie vor seiner Box stand, aber er hatte sie sofort an ihren leichten, schnellen Schritten erkannt. Er schaute auf, den goldenen Kettenanhänger noch in seiner Rechten. »Alles okay«, flüsterte er und klopfte gegen den prall gefüllten Lederbeutel vor seiner Brust.
    Billa lächelte zu ihm herunter. Sie sah erschöpft und verschreckt aus. Ihre Augen waren gerötet, als ob sie gerade eben geweint hätte. »Ich hab Tyram gar nicht erst ausgespannt«, sagte sie. »Lass uns gleich wieder fahren. Mann, Marian – ich würd’s nicht ertragen, auch nur eine Sekunde länger hierzubleiben.«
    Sie hatte so leise geredet, dass er es praktisch von ihren Lippen ablesen musste. Aber in diesem Moment kam es ihm so vor, als ob sie sogar ihre Gedanken gegenseitig lesen könnten. Und ihre Gefühle sowieso.
    Marian sprang auf und nahm sie in den Arm. »Schsch«, summte er ihr ins Ohr. »Vergiss die drei. Sie haben keine Macht mehr über dich.« Er nestelte sich den Riemen mit dem roten Ledersäckchen vom Hals und hängte es ihr um. »Komm, gehen wir.«
    Sie verließen den Schuppen, stiegen in die Kalesche und fuhren davon. Niemand versuchte, sie aufzuhalten, niemand schrie Verwünschungen hinter ihnen her. Aber Billa blieb still und bedrückt, auch als sie Hof, Moor und Hexenholz längst hinter sich gelassen hatten und auf dem kurvigen Waldweg hoch zum ehemaligen moorgräflichen Jagdschloss fuhren.
    Erst in ihrem Versteck, auf dem Moosbett hinter Gestrüpp und Ruinengemäuer, kriegte Billa ihren Mund wieder auf. »Sie wollten unbedingt noch mal zur Marieneiche«, sagte sie. »Hatten auch wieder so eine Strohpuppe gebastelt und einen Strick eingepackt, um das Ding aufzuhängen.«
    Sie fuhr sich mit der Hand über die Augen und schien in sich hineinzuhorchen. Auch Marian blieb stumm, wartete nur, dass sie weitersprach. Obwohl er sich schon so ungefähr denken konnte, was jetzt kommen würde.
    »Ich wollte sie zur Rede stellen«, fuhr sie schließlich fort, »aber sie haben mich nur ausgelacht. Warum macht ihr das immer, hab ich geschrien – ihr wollt gar nicht, dass Jakob wieder freikommt, ihr wollt ihn umbringen! Da haben sie noch lauter gelacht und mich beschimpft und beleidigt – du kannst dir gar nicht vorstellen, was sie alles zu mir gesagt haben. Zur gleichen Zeit haben sie das Seil um einen Ast geschlungen und die Strohpuppe dran aufgehängt. Sina hat einen bekritzelten Zettel aus der Tasche gezogen und Birta hat zwei Äste von einem Dornbusch abgebrochen. Damit haben sie der Puppe das Papier an den Kopf genagelt – mit einem draufgemalten Gesicht, und ich hab immer noch geglaubt, dass es um Jakob gehen würde. Schau doch mal, Billalein, haben sie dann aber gekreischt, wer hier am Bäumchen baumelt! Und da … und da …« Sie ließ den Kopf hängen und aus ihrem Mund kamen nur noch krampfhafte Schluchzer.
    Marian legte ihr seinen Arm um die Schultern und zog sie enger an sich. »Schsch«, machte er wieder. »Ich weiß schon Bescheid.« Schnell erzählte er ihr, was er auf dem Dachboden erlebt hatte. »Schau in dem Beutel nach«, sagte er dann, »ob alles drin ist, was sie dir weggenommen hatten.«
    Sie öffnete das Ledersäckchen und schüttete den gesamten Inhalt vor sich ins Moos. Mindestens 15 Milchzähne, außerdem genügend Haare für eine ganze Perücke – dünne, seidige Babylocken, ein dicker Zopf, noch fest zusammengeflochten, Haarsträhnen aus ihrer Kindergarten- und Grundschulzeit und den Jahren danach.
    Marian schaute sich alles an und war froh, dass Billa so langsam wieder aus ihrem Tal der Tränen rausgewatet kam. »Alles noch da«, sagte sie, »und du meinst wirklich, dass sie jetzt keine Macht mehr über mich haben?«
    Marian zuckte mit den Schultern. »Jedenfalls würde ein Voodoozauberer das so sehen – und laut Professor Bußnitz funktioniert Voodoo nicht viel anders als Cropliner Hexenmagie.«
    Er nahm seinen Arm von Billas Schultern, fischte Unmengen goldener und silberner Kettchen aus seiner Hosentasche und warf alles vor ihr ins Moos. »Am besten fängst du schon mal an«, sagte er, »Haarsträhnen um Ketten zu flechten, Zähne an Armreifen dranzubinden – wir brauchen so viel wie möglich von dem Zeug.« Aus seiner linken Hosentasche holte er auch noch das Medaillon und ließ es zwischen Haaren, Zähnen, Ketten zu Boden gleiten. »Stopf auch ein paar von deinen Haaren zu dem Laura-Bild. Wir müssen dich von oben bis unten mit Schutzamuletten behängen«,

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