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Gößling, Andreas

Titel: Gößling, Andreas Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dämonenpforte Die
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wie das zugehen mochte. Doch eins war ihm mittlerweile klar geworden: Immer wenn es ihn aus heiterem Himmel überkam, krauses Zeug wie das hier zu murmeln – dann hob kurz darauf sein Gewissen an, auf ihn einzuschreien. Und wenn er dann wieder jene ande ren Silben ohne Sinn und Zusammenhang gewispert hatte – dann gab im gleichen Moment seine innere Stimme Ru he. Doch heute würde er gar nicht erst zulassen, dass sie wach wurde und ihm lästig fiel.
    Aber zu spät . »Bormilatus … Bormilatus«, murmelte Julian, und praktisch noch in das Gemurmel hinein fing sein Gewissen an zu zetern: Mach den Ofen aus, kipp das Teufelszeug weg, das du da zusammengekocht hast – na mach schon, du wahnsinniger Famulus! Und zerstampf deine Lehmpuppe zu Staub und Bröseln, und die zerstreu in alle Himmelsrichtungen – worauf wartest du noch!
    Der Famulus stand einen Augenblick lang wie gelähmt zwischen Puppe und Ofen. Dann schüttelte er sich abermals, lief die Treppe zur Apotheke und gleich auch die nächste zu Jungfer Hildegundes Schlafkammer hoch.
    Vor ihrer Tür hielt er kurz inne, um seinen Atem zu beruhigen. Die Nadel hatte er schon stechbereit in der Hand, als er über die Schwelle der traumwurztief Schlummernden schlich. Ihre Lilienhand lag auf der De cke hingebreitet wie ein Opfertier. Julian kniete sich neben sie und piekte ihr in die Daumenbeere. Die Jungfer seufzte aus Traumestiefe, da ließ er drei köstlich rote Tropfen in seinen Fingerhut perlen, hauchte einen Kuss auf die winzige Wunde und war schon wieder draußen und die Treppe hinab.
    Du blödsinniger Depp von einem Kräuterschnippsler, lass es sein!
    Und jetzt gerade nicht, dachte Julian – wer mich so übel beschimpft, kann nie und nimmer auf meine Einsicht rechnen.
    Doch auch wenn sein Gewissen ihn mit ausgesuchtester Höflichkeit angefleht hätte – er wäre von seinem Weg nicht mehr abzubringen gewesen. Sie beide wussten es, und deshalb schwieg sein Gewissen jetzt verbissen, während der Famulus ebenso beharrlich weiterwerkelte.
    Den Inhalt des Fingerhuts gab er in eines der beiden Gefäße, in denen er die dämonischen Substanzen vorbereitet hatte. Ein letztes Mal ließ er alles aufkochen, dann kippte er die Pulver in Messingschalen, wie er es bei Meister Justus gesehen hatte. Die eine Schale stellte er zur Linken, die andere zur Rechten seiner Lehmpuppe auf.
    Gleich darauf begann er, den Golem in der Manier des Ritters Gunter zu umkreisen. »Aus heiliger Erde bist du geformt, Golem – steh auf!« Das wiederholte er dreimal, bevor er einen bereitstehenden Wasserkrug ergriff und in die Rolle des Goldschmieds schlüpfte.
    »Die Urflut tränkt dich«, brüllte er, »Golem – steh auf!« Wasser ergoss sich auf die Puppe und den Kellerboden. Der Famulus schrie, stampfte, spritzte. Stellte schließlich den Krug zur Seite und riss zwei Holzstücke aus dem Ofenloch heraus. »Das magische Feuer durch loht dich, Golem – steh auf!« Er stieß die glühenden En den in die Messingschalen und tatsächlich stieg aus dem einen Pulver eine gelbliche, aus dem anderen eine rötliche Qualmsäule auf.
    Allerdings handelte es sich um ein ziemlich blasses Gelb und ein ebenso mattes Rot, im Grunde genommen allenfalls um Rosa. Mit dem grellen Schwefelgelb und dem leuchtenden Feuerrot, die aus den Schalen von Meister Justus emporgeschossen waren, wiesen die Dämpfe des Famulus nur eine sehr entfernte Ähnlichkeit auf. Hatte Elisha Asmol etwa die falsche Rezeptur überliefert? Oder alles verdreht und verschlüsselt, sodass Beiwurz durchaus nicht Beiwurz meinte und Alraun keineswegs Alraun? Der Famulus kämpfte alle Zweifel noch einmal nieder. »Das magische Feuer durchloht dich«, schrie er, »Golem – steh auf!«
    Der Tr aumwur z zumindest schien prächtig zu wirken. Denn obwohl Julian gottserbärmlich schrie und stampfte, fuhren weder Jungfer Hildegunde noch ihre Eltern aus dem Schlaf. Das galt allerdings auch für den Golem, der weder zu zucken begann noch gar die Augen aufschlug. So wie sich auch an der Decke über den blassbunten Dampfsäulen keinerlei dämonische Lichtzungen mit Namen Astometh und Ohyrion blicken ließen.
    Gleichwohl wechselte Julian nun in die Rolle über, die bei der Erweckung im Hexenholz dem Großmächtigen Meister selbst zugefallen war . »Der göttliche Odem durchweht dich«, rief er und rannte aufs Neue um seine Lehmpuppe herum im Kreis. »Schem – ham – for – as!« Auch diese Formel wiederholte er getreulich drei Mal, bevor er sich neben

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