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Gößling, Andreas

Titel: Gößling, Andreas Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dämonenpforte Die
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was wie Zeit überhaupt gab – lief Marian zwischen diesen Kreaturen herum und sie schienen ihn überhaupt nicht zu beachten. Flogen, schwebten, trotteten an ihm vorüber, ohne auch nur den Blick nach ihm zu wenden. Doch je länger er herumlief, desto beklommener wurde ihm zumute. Es war keine richtige Angst, eher der Schemen eines Schreckens, den er nur nebelhaft empfinden konnte, so wie er ja im Ganzen nur ein Schatten seiner selbst war. Verloren fühlte er sich und wusste schon kaum mehr, was er da verloren hatte. Wo er herkam, wer er früher mal gewesen war. Seine Erinnerung verblasste, zerfledderte. Alles in ihm wurde genauso grau, schattenhaft, durchsichtig wie die Welt um ihn herum.
    Bleib stehen, ermahnte er sich, denk nach. Wie bin ich hierher geraten? Wo war ich vorher? Was ist da schiefgelaufen?
    Grau und verschwommen tauchte das Bild eines Kerkers vor ihm auf. Darin eine angekettete Gestalt am Boden – Julian! Nebelhaft fühlte er Julians Angst, sein Entsetzen, als er im Verlies zu sich kam. Ich bin nicht dieser Julian, dachte er dann, aber wer bin ich sonst?
    Während er sich mit dieser Frage herumquälte, schwebten um ihn herum unaufhörlich graue Geisterwesen aus dem Boden hervor. Schlängelten sich davon oder erhoben sich in die Nebelluft.
    Mit einem Mal entdeckte Marian einen gigantischen Riss im Fels. Erschrocken blieb er stehen und schaute in den Abgrund hinab. Und da sah er, wie aus ungeheurer Tiefe eine riesenhafte Gestalt zu ihm heraufstieg. Sie hatte die Umrisse eines ausgewachsenen Mannes, doch sie war zehn-, nein, hundertmal so groß. Der ganze Leib starrte vor Muskeln. Doch die Augen, die der Riese zu Marian emporgewandt hatte, blickten gläsern und leer.
    Es ist ein Golem, dachte er, ein Golem – und mit diesem einen Wort fiel ihm auch alles andere wieder ein: wo er herkam, wohin er eigentlich wollte, wie er hierher geraten war.
    Der Golem öffnete seinen Mund und stieß einen unhörbaren Schrei aus. Für einen kurzen Moment erstarrten alle Schattenwesen um Marian her. Bis dahin hatten sie keinerlei Notiz von ihm genommen – doch nun glotzten, stierten, starrten ihn Tausende Geisteraugen an. Finster, angriffslustig, boshaft. Und im nächsten Moment schwebten, schnellten, schossen die Schemen von allen Seiten auf ihn zu.
    Ein Wirbel aus hasserfüllten Schattenfratzen drehte sich um ihn, hüllte ihn ein. Wie gelähmt stand Marian vor dem Abgrund, aus dem mit Riesenschritten der Go lem emporstieg. Schon ragte der gewaltige Schädel aus dem Riss im Boden hervor. Schon stemmte der Golem seine grauen Pratzen auf den Felsrand, um sich ganz herauszuhieven.
    Im nächsten Augenblick würden sich die Geister auf Marian stürzen, im übernächsten der Golem ihn zwischen seinen Pratzen zermahlen. Da endlich erwachte Marian aus der Erstarrung, die ihn beim Anblick des Golems befallen hatte. Mit fliegenden Fingern zog er das Tal mibro auseinander. Die dunkle Scheibe wurde durchscheinend, und er erblickte sich selbst – in der Turmkammer, auf einer Decke am Boden, scheinbar in tiefem Schlaf. »Mabrosilat«, murmelte er, »Mabrosilat … Mabrosilat« – und da wurde er aus dem Geisterreich heraus- und hinübergeschleudert in seine vertraute Welt.

68

    Die Abendsonne stand schon tief am Himmel, als Marian und Billa aus ihrem Turm ins Freie traten. Beide hatten Kopf, Gesicht und Schultern unter den Schutztüchern verborgen. Sie mussten einen ziemlich sonderbaren An blick bieten, aber darauf kam es jetzt wirklich nicht mehr an.
    Durch den golddurchwirkten Schleier hindurch sah die Welt da draußen vollkommen unwirklich aus. Auf den Ruinenmauern, auf Bäumen, dem Brunnen – überall prangten die goldenen Symbole. Das geöffnete Auge des Weltbaumeisters, der nach dem Glauben der Logenbrüder alles wusste und sah. Der Drache Ouroboros, der sein eigenes Schweifende im Maul hielt – zum Zeichen, dass die Kräfte des Chaos, der Zerstörung, des Bösen gebändigt waren. Zirkel und Winkelmaß, Symbole der schönen Klarheit, die überall in der erschaffenen Welt herrschte.
    Überall außer im Hexenholz, dachte Marian, oder im Schattenreich oder hinter der Dämonenpforte – um nur die paar Orte des Chaos, des Bösen, der Zerstörung zu erwähnen, auf die er hier in Croplin innerhalb kürzester Zeit gestoßen war.
    Billa hängte sich bei ihm ein. Sie trug unzählige Amulette um Hals und Handgelenke, sogar um ihre Fußknöchel und als Gürtel um ihre Mitte. Gold- und Silberketten, mit ihren Haarsträhnen

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