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Gößling, Andreas

Titel: Gößling, Andreas Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dämonenpforte Die
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die Sprache zu verschlagen schien. Nachdenklich schaute er zum Haus von Meister Justus hinüber. Wie düster es sich vor der schwankenden, brausenden, knarrenden Masse des Hexenholzes erhob.
    Na, schaden kann es ja nicht, beschloss der Famulus. Er wandte sich um und schlüpfte in den Vorgarten von Balthasar Müntzer. Der alte Archivar lag gewiss schon wieder im Baldrianschlaf, denn die achte Abendstunde war lange vorbei. Am hintersten Ende des Gärtchens kauerte sich Julian hin, zog den Batzen Hexenlehm unter seinem Hemd hervor und schob ihn mitsamt dem darumgewickelten Lumpen unter die Sonnenblumen.
    So bleibt dem Großmächtigen Meister nichts anderes übrig, dachte er, als auf meine Bedingungen einzugehen. Will er den Lehm haben, so muss er auch die Herrschaft mit mir teilen.
    Händereibend überquerte Julian die Straße, hob den schmiedeeisernen Klopfer und ließ ihn auf das Tor von Meister Justus niederkrachen.
    Er musste nicht lange warten, bis die schmale schwarze Haustür aufschwang. Benno Krummbiehl erschien auf der Schwelle, eingerahmt in ein Rechteck aus flackerndem Licht. »Ah, der Rabe Julian«, rief er mit pfeifender Stimme, eilte sogleich zum Tor, einen Schlüsselbund schwenkend, und ließ den Famulus ein. »Der Meister erwartet Ihn schon.«
    Julian lächelte geschmeichelt. Nun, sagte er sich, Meister Justus ist eben ein hellsichtiger Mann. Untrüg lich erspürt er, von wo in größter Not die Rettung naht. Er trat ein und der Schmied riegelte hinter ihm sorgsam wieder zu.
    »Folg Er mir!«
    Zum ersten Mal betrat der Famulus das Hegendahl’sche Gutshaus durch die Vordertür. In der Halle saßen der Meister und seine Lichtträger in den übergroßen schwarzen Sesseln beisammen. Ernst schauten sie Julian entgegen – und der fühlte sich mit einem Mal recht unbehaglich.
    Hinter ihm verschloss der Silberschmied die Tür. Dann legte er seine Hände auf Julians Schultern und schob ihn auf den Großmächtigen Meister zu.
    Wie anders hatte sich der Famulus das alles vorgestellt! Ehrenvoll war er in seinen Tagträumen stets von Meister Justus empfangen worden, voller Respekt und Dankbarkeit. Nun aber stand er wie ein ertappter Dieb da und wagte es kaum, ihm in die Augen zu sehen.
    »Der Rabe also«, brummte Meister Justus. »Ist Er gekommen, sein Haarband zurückzufordern?«
    »Das Haarband – lasst mich erklären.« Julian musste schlucken. Seine Knie drohten unter ihm nachzugeben. »Allein aus Ehr … aus Ehrfurcht vor Euch, Großmächtiger Meister«, stammelte er, »hab ich mich erdreistet, bei Euch einzusteigen. Verzeiht mir, ich flehe Euch an.«
    So schwer, wie er sonst allenfalls sein Gewissen auf sich lasten fühlte, lagen die Pranken des Schmiedes Ben no auf Julians Schultern. Und doch musste er weitersprechen – jetzt gab es kein Zurück mehr.
    Sein Blick flog vom Großmächtigen Meister zu Ritter Gunther und dem Goldschmied Bardo. Die drei Männer saßen wie versunken in ihren Sesseln und sahen ihn unter eisgrauen Brauen düster an.
    »Zum Zeichen meiner Reue und meines tiefen Respekts vor Eurer Weisheit, Meister«, fuhr Julian fort, »bringe ich Euch einen Batzen Hexenlehm, der mir …« Wieder musste er schlucken. Bei dem Wörtchen »Hexenlehm« hatten sich die Augen des Großmächtigen Meisters zu Wolfsschlitzen zusammengezogen. »… der mir unter gewissen Umständen zugefallen ist«, setzte Julian aufs Neue an.
    »Unter gewissen Umständen?«, wiederholte der Meister.
    Die Stimme drohte Julian vollends zu versagen. Er nickte stumm und desto eifriger, während er in seinem Rachen krampfhaft Spucke sammelte. »So ist es«, stieß er schließlich hervor. »Und zu gewissen Bedingungen bin ich bereit, meinen Besitz mit Euch zu teilen.«
    Der Großmächtige Meister erhob sich aus seinem Ses sel. Dem Famulus schien es, als müsste sich im nächsten Augenblick der Boden unter seinen Füßen öff nen. Und nicht sehr viel anders kam es dann auch.
    Mit zwei raschen Schritten war Meister Justus bei ihm. Niemals war er dem Raben so riesengroß erschienen –Julian musste seinen Kopf weit in den Nacken legen, um dem Meister ins Gesicht zu sehen. Oder lag er bereits auf seinen Knien, von den Pranken des Schmieds zu Boden gedrückt?
    »Der Drachenlehm«, sagte Meister Justus. »Wo ist er?«
    »Ihr … sollt es sogleich erfahren.« In Julians eigenen Ohren klang seine Stimme, als ob Bennos Pratzen mittlerweile fest um seinen Hals geschlossen wären. »Nur eines bitt ich Euch, mir zuzusichern, Meister – dass

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