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Gößling, Andreas

Titel: Gößling, Andreas Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dämonenpforte Die
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Muskeln, die sich unaufhörlich anspannten. Julians Lunge, die keuchend die stickige Luft einatmete und wieder ausstieß. Trotzdem fühlte es sich für ihn beinahe so an, als ob er selbst sich da am Holztisch schinden müsste. Schließlich war er in Julians Körper katapultiert worden, und wenn der Famulus eine Hand hob, war es für ihn, als wäre es seine eigene Hand – nur dass er nicht bestimmen konnte, welche Bewegung Hände, Arme, Mund gerade machten. Nur einmal ganz zu Anfang, gerade als ihn das Talmibro wieder in Julians Körper geschleudert hatte, war es ihm geglückt, laut die Stundenschläge mitzuzählen – und das wäre auch noch beinahe schiefgegangen.
    Die Plackerei wollte und wollte kein Ende nehmen. Der Famulus kämpfte sich durch Kräutergebirge und Wurzelwälder, doch viel schneller jagten die Uhrzeiger voran. Und jedes Mal, wenn Julian aus dem Blechkrug einen Schluck vergorenen Wein trank, drehte sich Marian fast der Magen um. Pfui Teufel! Wie konnte man so ein Zeug nur runterkriegen. Und überhaupt – wie dreckig hier alles war. Der Tisch mit einer schmierigen Schicht überzogen, der Bottich innen und außen verkrustet, von Julians Hemd mal lieber ganz zu schweigen. Auf dem Kellerboden krochen Spinnen, Würmer, Asseln in Mengen umher – und niemand schien sich davor zu ekeln, weder der Famulus noch Herr von Lohenkamm.
    Selbst Jungfer Hildegunde, die mindestens einmal pro Stunde zu Julian herabgestiegen kam, lief barfuß durch Schmier und Fliegendreck, als ob es ein prächtiger Teppich wäre. Sie lächelte ihn an und aufs Neue war es um Julians Arbeitseifer geschehen. Sein Blick wurde trüb, seine Hand erlahmte, der Bottich interessierte ihn nicht mehr. Denn er sah nur noch Hildegunde, obwohl die längst wieder aus seinem Keller verschwunden war. Mit einem blöden Grinsen glotzte er ihr hinterher und dachte peinliches Zeug wie: Ach, holde Maid!, oder sogar: Der Duft deines Busens, Herrin, lässt mein Herze jubilieren.
    Cool geht anders, dachte Marian. Und dann dachte er überhaupt nichts mehr – Julian übernahm aufs Neue das Kommando. Angriff!, dachte der Famulus, packte sich den vorletzten Spitzwegerichbüschel und schlug mit der Hacke auf das Grünzeug ein wie ein Soldat im Nahkampf. Immer wenn Julian in dieser Weise seine Willenskräfte anspannte, kam Marian sich vor, als ob er in einem dunklen Loch versinken würde. In einem Moorloch, wie die Schlammleichen von Hanno Bußnitz – ganz düster wurde es um ihn und er konnte keinen klaren Gedanken mehr fassen.
    Von der Kirche her schlug es siebenmal die Stunde, danach zweimal leiser – also halb acht. Schweißüberströmt ließ Julian das Messer fallen und schaufelte mit Schippe und Hand die allerletzten Kräuterhäcksel in den Bottich. Gütiger Gott, ich hab’s wahrhaftig geschafft. Er goss sich den letzten Schluck Sauerwein in die Kehle, wischte sich die grün und rot verschmierten Hände am noch viel bunter verschmutzten Hemd ab und hastete auf polternden Holzsohlen die Treppe hinauf. »Meister«, rief er schon von Weitem, »alles fertig – ich wünsch eine selige Nacht.«
    Oben stieß er die Tür auf und rannte fast in den Bauch des Apothekers hinein. »Fertig, sagt Er? Also hat Er nicht nur alles zusammengekocht, sondern auch den Trunk auf Phiolen gezogen?«
    »Das denn noch nicht«, erwiderte Julian. Seine Hände und Knie zitterten – vor Erschöpfung, aber auch vor mühsam gezügelter Empörung. »Von der Morgenröte an hab ich mich für Euch geschunden, Herr. Im Namen der Zunft und Barmherzigkeit – jetzt lasst mich für heute ziehen.«
    Unter gerunzelten Brauen sah der Herr von Lohenkamm auf seinen halbwüchsigen Famulus herab. In seiner Apotheke, zwischen den Schränken voll bauchiger Gläser und schlanker Phiolen, herrschte er über Frau, Kinder und Knechte wie ein kleiner Fürst. Leicht hätte er den mageren Lehrling mit einer Backpfeife hinter den Ladentisch pfeffern können und er hob auch die rechte Hand bereits zum Schlag. Doch dann ließ er sie wieder sinken, allerdings nicht aus Barmherzigkeit. Wenn sich Julian Hallthau bei der Apothekerzunft über ihn beschwerte, konnte ihm das beträchtlichen Ärger eintragen. »Verdient hat Er’s nicht, aber meinethalben«, brummte er und trat zur Seite. »Dank Er seinem Schöpfer, der Ihm einen so mitleidigen Lehrherrn zugeteilt hat.«
    Julian murmelte folgsam ein Dankgebet und zog gleichzeitig die Ladentür auf. Die Türglocke schepperte ihm hinterher, dass es wie das Keifen eines

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